Dienstag, 5. August 2014

Recht auf Vergessen: Saubere Europa-Suche

Zwei Monate nach dem wegweisenden Urteil zum Recht auf Vergessenwerden hat der Internetriese begonnen, seinen Suchindex zu bereinigen - allerdings nur in Europa.

Alles neu machte der Mai. Auf Antrag des Spaniers Mario Costeja González entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) vor zehn Wochen, dass Suchmaschinenbetreiber verpflichtet sind, Suchergebnisse aus ihrem Index zu löschen, wenn Privatpersonen dies unter Verweise auf ihre Persönlichkeitsrechte verlangen. González hatte zuvor vergebens versucht, einen Eintrag über sich aus einem Online verfügbaren Zeitungsarchiv entfernen zu lassen. Nun bekam er zumindest grünes Licht, Google einen Hinweis auf den Archiveintrag zu verbieten.

In den acht Wochen seit der Entscheidung hat das Vorgehen des Mannes Schule gemacht. Nachdem Google ein Formular für Löschanträge ins Netz stellte, meldeten sich fast 100 000 Menschen mit dem Wunsch, den Suchindex um Links bereinigen zu lassen, die sie selbst betreffen. Insgesamt verlangten europäische Bürger eine Beseitigung von rund 328 000 Links. Darunter befindet sich nach Angaben von "Golem" auch ein erster Link zum Internet-Lexikon Wikipedia, den Google-Nutzer in Europa künftig zwar noch direkt über die Enzyklopädie finden können, nicht mehr aber über die deutsche oder französische Google-Suche.

Etwa die Hälfte der Wünsche hat Google bislang erfüllt. In einem Drittel der Fälle wurden Löschwünsche als unbegründet abgelehnt, bei etwa 15 Prozent seien die Antragsteller aufgefordert worden, zusätzliche Informationen nachzureichen. Auch nach der Entfernung der Links zu Informationen aus der Vergangenheit, die Betroffene nicht mehr im Netz sehen wollen, bleiben die kritisierten Ursprungseinträge erhalten.

Und auch Google findet sie noch - vorausgesetzt, Internetnutzer wechseln von der deutschen Suchseite google.de zur internationalen Seite google.com. Das ist jederzeit problemlos mit einem einzigen Klick möglich, was Datenschützer empört. Wird doch so aus dem funkelnagelneuen „Recht auf Vergessenwerden“ eine Farce mit umgekehrtem Ergebnis. Einerseits sind Suchergebnisse, die auf google.de gelöscht werden, über google.com immer noch auffindbar. Andererseits informiert Google Seitenbetreiber über die Entfernung bestimmter Seiten aus dem Suchindex. Was in mehreren Fällen dazu führte, dass Initiatoren von Löschanträgen in die Öffentlichkeit gerieten. Google hat die Kritik zurückgewiesen. Die Information diene dazu, ungerechtfertigte Löschwünsche herauszufiltern.

Der Forderung deutscher Datenschützer, Suchergebnisse auf Verlangen weltweit zu säubern und dies ohne Mitteilung an die jeweils andere Seite zu tun, haben sich europäische Aktivisten wie Gwendal Le Grand vom französischen Verbraucherschutzportal CNIL angeschlossen. Die nur auf einzelne Ländersuchseiten begrenzte Löschung stelle, hieß es dort, „die Effektivität der gesamten Entscheidung infrage.“

Allerdings wären die Auswirkungen einer anderen Vorgehensweise unkalkulierbar. Müsste Google weltweit sperren, was in einzelnen Ländern als löschwürdig gilt, drohte eine Art chinesisches Internet: Nicht nur Chinesen würde keine Informationen mehr zum Tian'anmen-Massaker finden, sondern auch Deutsche; die russische Liste für gesperrte Seiten würde auch in den USA gelten und das türkische Twitterverbot beträfe wie die deutschen Gema-Sperren auf Youtube Nutzer überall auf der Erde.

Montag, 4. August 2014

Songwriterfestival: Finale zu dritt

Spontane Session zum Abschluss eines schönen Musikabends: Am Ende seines Auftritts beim Songwriter-Festival am Peißnitzhaus bat der Ire Gareth Dunlop seine Kollegen Matthew James White und Hans Super zum gemeinsamen Absingen von U2s "I still haven´t found what I´m looking for" auf die Bühne.

War als Finale gedacht. Zündete aber so heftig, dass Dunlop danach weitersingen musste. Eigene Songs waren alle, also lieferte er unter anderen Coverversionen von Charly Simon und Tom Waits.

Dienstag, 29. Juli 2014

Der Tramp-Roboter

Es ist natürlich ein Experiment, das weniger wissenschaftliche Erkenntnisse als Öffentlichkeit bringen soll. Aber spannend ist es dennoch, dem von David Harris Smith, Assistenzprofessor an der McMaster-Universität in Hamilton, Ontario, und Frauke Zeller, Assistenzprofessorin an der Ryerson-Universität in Toronto, entworfenen Roboter mit dem schönen Namen Hitchbot per Netz bei der Arbeit zuzuschauen. Denn Hitchbot hat eine fast unmögliche Aufgabe: Obwohl der Roboter selbst nicht laufen kann, soll er auf eigene Faust ganz Kanada durchqueren.

Das tut das tonnenförmige Wesen mit den angeklebten Gummistiefelbeinen per Anhalter. Dazu wirbt es für sich in den sozialen Netzwerken - der Hitchbot kann Fotos schießen und selbst Einträge verfassen. Ihn mitzunehmen, kann offenbar sehr unterhaltsam sein, denn der „hitch hiking robot“ spricht in ganzen Sätzen und kann einem Gespräch mit Menschen auch inhaltlich folgen. Dazu googelt der Roboter bei Bedarf im laufenden Betrieb nach passenden Inhalten, um die Konversation am Laufen zu halten.

Ersten Reaktionen auf Facebook und Instagram zufolge müsste Hitchbot aber wohl gar nicht reden - die Leute sind auch so so begeistert von ihm, dass sie ihn gern mitnehmen.Bei Twitter und Facebook versammeln sich um das Stück Kunststoff und Draht mittlerweile je elftausend Fan, bei Instagram sind es mehr als dreitausend.
Mehr zur Reise:
hitchbot.me

Montag, 28. Juli 2014

Sportwetten in Sachsen-Anhalt: Das verbotene Spiel

"Coming soon", verspricht das Schaufenster, "laufen Sie sich schon mal warm!" Mitten in der Innenstadt von Halle soll ein Wettbüro eröffnen, gelegen neben zwei Spielcasinos, die ganz öffentlich damit werben, auch als Wettannahmestelle zu fungieren. Nicht weit entfernt arbeitet schon das nächste Wettbüro, Bet-Lounge steht metergroß über dem Eingang.

Sachsen-Anhalt mausert sich zum Glücksspielparadies - und das nur drei Jahre nach der Einigung der Ministerpräsidenten der Länder auf die Eckpunkte eines neuen Staatsvertrags für Glücksspiele, die federführend in Magdeburg erarbeitet worden waren. Schon ein Jahr später, hieß es damals, sollten bundesweite Konzessionen für Sportwetten-Anbieter vergeben werden. Anbieter, die mitmachen wollten, müssten 16,66 Prozent aller Spieleinsätze an den Staat abgeben. Dafür würden dieser die Wettunternehmer nicht mehr kriminalisieren und verfolgen.

Es schien das Ende einer Posse zu werden, die mehr als zehn Jahre lang gespielt worden war. Mit teilweise absurden Folgen: So wurde dem Fußball-Bundesligisten Werder Bremen nach einem Freundschaftsspiel in Magdeburg ein Bußgeldbescheid zugestellt, weil die Spieler auf ihren Trikots für einen Glücksspielanbieter geworben hatten. Das Innenministerium forderte die Staatsanwälte des Landes sogar auf, wegen des Verdachts der Werbung für illegales Glücksspiel zu ermitteln. Der damalige Wirtschaftsminister und heutige Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) fuhr eine harte Linie: Wer aus Sachsen-Anhalt heraus an Sportwetten teilnehme, dem drohten Ermittlungen des Landeskriminalamtes. Zudem werde das Land "technische Maßnahmen" ergreifen, "um den Zugang zu Glücksspielseiten im Internet für das Gebiet des Landes zu unterbinden", kündigte er damals an.

Ein Plan, der mangels Realisierungsmöglichkeit nicht umgesetzt wurde. Stattdessen zwang der Europäische Gerichtshof in Straßburg die Bundesländer dazu, die bestehenden Verträge an die geltende europäische Rechtslage anzupassen. Danach kann einem Wettanbieter, der in einem EU-Land eine staatliche Lizenz besitzt, von keinem anderen EU-Land verboten werden, seine Wetten europaweit anzubieten. Für die Fußball-EM vor zwei Jahren kam die Klarstellung allerdings zu spät. Es gelte "im Wesentlichen noch die alte Rechtslage", teilte das Innenministerium in Magdeburg seinerzeit mit. Kurz vor der WM in Brasilien, die Sportwettenanbietern auch in Sachsen-Anhalt wieder prächtige Geschäfte bescheren wird, gilt formal dasselbe. "In Sachsen-Anhalt ist derzeit nur das Oddset-Sportwettenangebot der hiesigen Lotto/Toto-Gesellschaft erlaubt und damit legal", erklärt Ministeriumssprecherin Anke Reppin. Der Vertrieb dürfte daher "ausschließlich über die mit der Gesellschaft verbundenen Annahmestellen erfolgen".


Dürfte, wäre die Realität nicht eine ganz andere. Längst schon dominieren Wettanbieter als Werbepartner der Bundesliga. 15 der 18 Erstliga-Vereine hatten letzte Saison einen Sponsorenvertrag mit einem Wettanbieter abgeschlossen. Zehn von ihnen - darunter Bayern München und Schalke 04 - kassieren von nicht-staatlichen Firmen, die nach der Lesart des Magdeburger Innenministerium illegal sind.

Doch auch in Magdeburg weiß man, dass "Oddset ein Übergangs- und Auslaufmodell ist", wie Anke Reppin zugibt. Mit dem geänderten Glücksspielstaatsvertrag bestehen eigentlich längst die rechtlichen Voraussetzungen, um bis zu 20 Konzessionen für Sportwettenanbieter zu vergeben.


Allerdings geht es hier seit Monaten nicht voran: "Das vom zuständigen Bundesland Hessen geführte Vergabeverfahren gestaltet sich langwierig, so dass bis heute keine vergeben wurden", erklärt Reppin. Das bedeute, dass es in Sachsen-Anhalt keine sogenannten "erlaubt tätigen Wettanbieter" neben dem staatlichen Dienst Oddset gebe. Auch wenn der Augenschein in den Städten anderes erzählt.

Für Wolfram Kessler vom Wettanbieter Tipico ist das ein andauerndes Ärgernis. Seit 2004 besitze seine Firma eine gültige Lizenz aus Malta, die es Tipico erlaube, europaweit Sportwetten anzubieten. Zudem habe man eine Lizenz aus Schleswig-Holstein, das vorübergehend ein liberaleres Glücksspielrecht hatte als die anderen Bundesländer. "Aber wir wollen dennoch eine zusätzliche Lizenz in Deutschland haben", sagt der Chef der Rechtsabteilung des Unternehmens, das in Deutschland Marktführer ist und den früheren Nationaltorhüter Oliver Kahn als Markenbotschafter verpflichtet hat. 


850 Shops bundesweit bieten derzeit Tipico-Sportwetten an, rund eine Milliarde Wettscheine verarbeitet das Unternehmen im Jahr. "Wir haben vergangenes Jahr fast 88 Millionen Euro Steuern allein in Deutschland gezahlt", rechnet Wolfram Kessler vor. Insgesamt werden mit legalen Sportwetten hierzulande rund neun Milliarden Euro umgesetzt - gerade zu Großereignissen wie der Fußballweltmeisterschaft boomt die Nachfrage. "Wir hätten es deshalb gern gesehen, wenn die Konzessionsvergabe vor der WM über die Bühne gegangen wäre", sagt Kessler. 


Ist sie aber nicht. Dadurch agieren Anbieter derzeit quasi im rechtsfreien Raum. "Wenn die Behörden Kenntnis von unerlaubt tätigen Sportwettenanbietern erhalten, wird dagegen vorgegangen", stellt das Innenministerium in Magdeburg klar. In Halle sei es so zum Beispiel gelungen, zwei Annahmestellen für Sportwetten zu schließen. Gerichtsfest, wie Anke Reppin betont. Zuletzt hatte aber das Oberlandesgericht Naumburg entschieden, dass ein britisches Unternehmen auch ohne gültige deutsche Konzession weiter in Sachsen-Anhalt Sportwetten anbieten darf. 

Für Wolfram Kessler ein Zustand, der dauerhaft unhaltbar ist. Der Tipico-Vorstand verweist darauf, dass sein Unternehmen Spieler vor Glücksspielsucht schütze und in Deutschland Steuern zahle. "Der Verfolgungsdruck, der mancherorts ausgeübt wird, ist unangebracht." Es sei besser, wenn Firmen wie seine Wetten anböten als wenn das Firmen aus der Grauzone täten, wie es im Augenblick der Fall ist, argumentiert er.
Doch während die Behörden in anderen Bundesländern die Eröffnung von Wettshops seriöser Anbieter wie Tipico mittlerweile duldeten, verschließe Sachsen-Anhalt die Augen vor der Tatsache, "dass sowieso gewettet wird - legal oder eben illegal". Hier beharrten die Behörden darauf, dass erst bundesweite Lizenzen vergeben und dann Wettshops eröffnet werden dürften - wann auch immer es soweit ist. 


So haben Wettfreunde in Thüringen, Sachsen, Bayern, Berlin, Hamburg oder Hessen nun zur WM die Möglichkeit, legal auf deutsche Siege oder Niederlagen zu wetten. In Sachsen-Anhalt können Interessierte sich dagegen nur Schilder in den Schaufenstern künftiger Wettshops anschauen, die baldige Besserung versprechen.