Dienstag, 23. September 2014

Kraftklub: Rap-Rock mit schwarzem Humor

Die Chemnitzer Aufsteigerband überzeugt auf ihrem zweiten Album mit hartem Raprock und kantigen Reimen voller Selbstironie.

Am Anfang war die Hymne auf die Provinz. „Ich will nicht nach Berlin“, schrie Felix Brummer der Trendstadt im Norden entgegen. Chemnitz, Karl-Marx-Stadt, Sachsen, Kleinstadt statt Weltstadt, der eigene Saft statt fremder Soßen! Kraftklub, von Brummer zwei Jahre zuvor zusammen mit seinem Bruder Till am Bass, Karl Schumann und Steffen Israel an den Gitarren und Max Marschk am Schlagzeug gegründet, hielten sich nicht an die Regeln, die von Künstlern verlangen, im Chor zu singen. Das Quintett feierte den Mief statt der Metropole. Und sie spielten dazu eine Musik, die von keiner Musikpolizei genehmigt worden wäre: Rap mit harten Gitarren, Hiphop samt Mitsing- refrains, Rammstein-Rock und Abzählreime.

Seit den Prinzen zwei Jahrzehnte zuvor und Silbermond zehn Jahre früher hat keine ernsthafte Band aus den ehemals neuen Bundesländern mehr so eingeschlagen. Kraftklub, stets in einheitlicher Uniform aus Baseballjacken und Poloshirts, platzierten ihr Debütalbum auf Platz 1 in den Charts, sie feierten ausverkaufte Tourneen und bekamen bei der Echo-Verleihung den „Kritikerpreis National“ verliehen.

Zwei Jahre danach sind sie wieder da, „In Schwarz“, wie das zweite Album heißt und von unbedingtem Stilwillen getrieben, wie schon das Albumcover zeigt. Das ist eine Negativ-Kopie des Debüts: Was dort weiß war, ist hier mit ein paar kleinen Variationen schwarz.

Das Gegenteil wird aber nicht verhandelt in den 13 Stücken der Standardedition, zu denen sich in der Luxusausgabe weitere drei Songs gesellen. Vielmehr haben die Söhne der Familie Brummer, die zu DDR-Zeiten die kategorisch kunstsinnige Underground-Kapelle AG Geige betrieben, ihren scharfkantigen Rap-Rock poliert, die Kanten geschliffen und den Sound weiter internationalisiert.
„In Schwarz“ ist so ist ein Spagat zwischen Oasis-Melodien und Cro-Flow geworden, Jungsmusik, die auch Mädchen gutfinden werden, weil hektischer Indierock wie bei „Schüsse in die Luft“ neben einer gelinden Halbballade wie „Meine Stadt ist zu laut“ steht.

Wichtig hier ist aber vor allem der Humor, ein Wesensmerkmal des Kraftklub-Schaffens von der ersten gemeinsam gespielten Note an. Es geht den fünf Sachsen nie um Botschaften wie noch der Generation der BAP, Grönemeyer oder Maffay, sondern um selbstironische Kommentare aus der Sicht ihrer Generation: „Wenn Alkohol keine Lösung ist habe ich auch kein Problem“ Geschont wird dabei niemand, wie gleich das Auftaktstück „Unsere Fans“ zeigt. Hier wagen sie es, all die Ausverkaufsvorwürfe herumzudrehen, die noch jede kleine Band zu hören bekommt, sobald sie nicht mehr im Schulklub, sondern in der Stadthalle spielt. Nicht die Band, sondern die Fans hätten sich verändert, nörgelt Felix Brummer zu klapperndem Schlagwerk: „Unsere Fans war’n mal dagegen, die wollten nicht gefallen, früher kleine Läden, heute nur noch volle Hallen“. Alle rennen denen hinterher, denen alle hinterherrennen!

Rockfan-Schicksal, das mit „In Schwarz“ nur noch tragischer werden dürfte, denn die Brummer-Brüder, Musikdirektor Schumann und der Rest der Truppe gestatten sich hier keinen Durchhänger. Riff marschiert neben Riff, eines prächtiger als das andere, das Tempo lässt kaum einmal nach, selbst die Fahrradhymne „Mein Rad“ klingt mehr nach gefährlicher Geschwindigkeitsübertretung als nach entspannter Landpartie. Zum Halbfinale tritt dann auch noch Kumpel Casper ans Mikro und unterstützt Felix Brummer bei „Schöner Tag“, ehe der beim finalen „Deine Gang“ alle Bremsen löst und den Bubble-Gum-Beat von T.Rex ins Heute holt.




Montag, 22. September 2014

So fälscht man Mails im Nachhinein

Im Zusammenhang mit einem gerade laufenden Gerichtsverfahren, in dem es auch um eventuell gefälschte E-Mails geht, taucht die Frage auf, wie es möglich ist, elektronische Nachrichten im Nachhinein anzufertigen oder früher erhaltene oder gesendete Nachrichten nach späteren Bedürfnissen zu verändern. Dabei geht es nicht darum, nur Ausdrucke von Mails zu verfälschen, sondern die Frage war: Kann man Mails mit zwei, drei Monaten oder Jahren Abstand so aussehen lassen, als hätten sie einen Inhalt, den sie ursprünglich nicht gehabt haben.

Das geht, natürlich, und es bedarf dazu nicht einmal großartiger Computerkenntnisse. Das Verfahren ist im Gegenteil ganz einfach - und, vorausgesetzt, Sender und Empfänger sind sich einig - kann die Fälschung ohne Mithilfe des Providers nicht einmal nachgewiesen werden.

Das Verfahren ist denkbar einfach. Zuallererst muss das Outlook- oder Thunderbird-Postfach geöffnet werden, in dem sich alte Mails aus dem Zeitraum, aus dem eine inhaltlich anzupassende Mail gebraucht wird. Im zweiten Schritt wird das Postfach so an die Bildschirmgröße angepasst, dass der Desktop des Computers daneben oder darüber sichtbar bleibt. Der dritte Schritt ist noch einfacher: Mit der Maus wird eine zeitlich passende Mail vom Absender oder Empfänger, mit dem der anderslautende Briefverkehr hergestellt werden soll, einfach auf den Desktop gezogen.

Dort taucht nur ein einzelnes Mailsymbol auf, das mit der rechten Maustaste angeklickt wird. Aus dem Klappmenü wird nun "Öffnen mit Editor" gewählt. Daraufhin öffnet sich die Mail in der Vollansicht, in der der Inhalt bearbeitet werden kann. Statt des Originalbetreffs lässt sich nun ein neuer eintragen, statt des ursprünglichen Inhalts kann jeder andere eingetragen werden.

Ist das erledigt, wird die Mail geschlossen und gespeichert. Vorletzter Schritt: Die bearbeitete Mail wird nun mit der Maus wieder ins Postfach zurückbefördert. Dort muss nun nur noch die Originalmail gelöscht werden.

Dasselbe muss im Postfach des Partners der Kommunikation durchgeführt werden, anschließend finden sich auf beiden Computern identische Mails, die aussehen, als wären sie ausgetauscht wurden, obwohl sie das nicht sind. Ohne Hilfe des Providers, der allerdings auch nur helfen kann, wenn die betreffenden Online-Postfächer nicht gereinigt wurden, lässt sich die Veränderung nicht nachweisen - zumindest nicht, wenn der oder die Fälscher nicht vergessen habe, die auf den Desktop verschobene Arbeitskopie ordentlich zu löschen und die von ihr benutzten Speicherbereiche zu überschreiben.

Mittwoch, 17. September 2014

Schlaue Uhren: Augen am Arm

Mit Apple, LG und Samsung haben nun alle Technik-Giganten den neuen Markt der elektronischen Anziehsachen betreten - auf die Apple-Watch warten schon zahlreiche Konkurrenten.

Mit der Ankündigung von Apple, künftig auf dem noch relativ jungen Markt der sogenannten Smartwatches mitmischen zu wollen, sind die großen Namen der Hightech-Welt nun alle versammelt in dem neuen Geschäftsfeld, das noch vor zwei Jahren eine Spielwiese von ein paar mutigen Visionären war.

Männer wie Steve Tan, Gründer der Mini-Firma Kreyos, hatten sich damals vorgenommen, eine nie beendete Geschichte fortzuschreiben, deren erstes Kapitel ausgerechnet Microsoft-Chfe Bill Gates ausgedacht hatte: Die Uhr nicht nur als Zeitmesser, sondern als Lebensbegleiter, Assistent und Notizbuch.

Gates, seinerzeit noch Chef bei Microsoft, hatte 2002 das Spot-Konzept vorgestellt. Die Abkürzung stand für „Smart Personal Object Technology“ und sollte per Funktechnik Uhren in clevere Alltagshelfer verwandeln. Gates Plan, Radiofrequenzen zu nutzen, um Uhren mit Nachrichten zu versorgen, ging nicht auf. Trotz namhafter Partner wie der Uhrenhersteller Fossil und Swatch wurde das Projekt schon zwei Jahre später recht still beerdigt.

Es war dann an Leuten wie Steve Tan und Eric Micigovsky, die Idee wieder auszugraben. Micigovsky machte mit der nach einem Heiligtum der australischen Ureinwohner benannten „Pebble“ den Anfang: Mit Hilfe des Crowdfundingportals Kickstarter sammelte seine Pebble Technology Corporation binnen weniger Wochen mehr als zehn Millionen Dollar für Entwicklung und Bau der Uhr mit dem energiesparenden E-Paper-Bildschirm ein. Tan, der mit Kreyos später beim Portal Indiegogo startete, hatte wenig später auch keine Probleme, statt der angestrebten einhunderttausend mehr als 1,5 Millionen zusammenzubringen.

Die Nachfrage war ganz offenbar da, auch, weil im Unterschied zu Bill Gates Zeiten inzwischen Technik verfügbar ist, die es den Smartwatches erlaubt, wirklich schlau zu sein. Statt auf Funkwellen, die nur eine einseitige Kommunikation durch den Empfang von Nachrichten erlauben, sind die Pebble und ihre Konkurrenten über das drahtlose Bluetooth-Verfahren mit den Smartphones ihrer Besitzer verbunden. Die wiederum hängen per mobilem UMTS- oder LTE-Zugang im Funknetz oder sind in eine Wlan-Station eingeloggt.

Im Grunde können Uhren damit alles, was Smartphones können. Es ist ihnen möglich, Nachrichten zu empfangen, der Besitzer kann mit ihrer Hilfe telefonieren und - häufig sogar per Sprachbefehl - im Internet suchen. Da zugleich Funktionen der etwas simpler gedachten Fitness-Armbänder eingebaut werden, misst die Smartwatch sportliche Aktivitäten, Pulsschlag und Schlafzeiten, dazu verwaltet sie Termine, sie dient auf Wunsch als Steuerpult für die Kamera und sie misst beim Radfahren die Geschwindigkeit. Um fast 700 Prozent ist der Markt der Fitness-Helfer zuletzt gewachsen. Zumeist kleine Hersteller wie Fitbit und Jawbone konnten mehr als sechs Millionen Geräte in nur einem halben Jahr absetzen.

Ein Geschäft, das auch Giganten wie Samsung, LG und Sony interessiert. Obwohl die eher klobigen als filigranen ersten Exemplare von Samsungs Gear-Reihe wie auch die von Sony hergestellte Uhr mit dem schönen Namen „SW“ kein berauschender Verkaufserfolg waren, halten die Großkonzerne an der Absicht fest, bei den sogenannten Wearables, also den anziehbaren Hightech-Waren, mitzumischen.

Die Funktionen werden dabei umfangreicher. Samsung setzt bei der Gear S etwa auf ein Modell mit eigenem Mobilfunk-Anschluss, das gar kein Smartphone als Basisstation mehr braucht. Außerdem kann man direkt über das Gerät am Handgelenk telefonieren. Die ersten Smartwatches von LG und Motorola dagegen versuchen, wie gewöhnliche Uhren aussehen, die den Mini-Computer in sich verstecken, ohne Abstriche am Leistungsvermögen zu machen.

Noch ist das alles auf Kante genäht, noch balanciert jedes der Geräte auf einem schmalen Grat zwischen genialem Helfer und totalem Flop. Wie die Finanziers der selbsternannten besten Smartwatch aller Zeiten gerade feststellen müssen. Die „Meteor“ von Steve Tan Kreyos sollte ursprünglich alles können, was ihre Konkurrenten können, dazu aber noch eine ganze Latte zusätzlicher Funktionen bis hin zur Gestensteuerung haben.

Doch als die paar tausend Leute, die die Entwicklung und Herstellung der Uhr mit ihren Internet-Spenden finanziert hatten, jetzt mit einem Jahr Verspätung ihre Uhren bekamen, stellten sie überwiegend fest, dass wenig davon zutrifft. Kaum gelingt es, die Meteor mit dem Handy zu verbinden. In einer Facebook-Gruppe trösten sich Betroffene inzwischen gegenseitig. Wer Ideen per Internet mitfinanziere, kaufe eben kein fertiges Produkt. „Er unterstützt eine Vision.“