Montag, 16. November 2015

Rockhaus: Alte Lieder, große Gefühle


So kommt das, wenn man mal einen Moment weg war. "Es gibt nicht mehr so viele Klubs hier in Leipzig", sagt Mike Kilian, Sänger der Band Rockhaus, "und die, die es gibt, fragen dann auch noch ,Wer seid ihr?'"

Das ist, 25 Jahre nach dem letzten Nummer-Eins-Hit und im Jahre sechs des Neustarts nach einer fast 15 Jahre währenden Pause, nicht so verwunderlich. Und auch nicht so schlimm, denn mit der traditionsreichen Moritzbastei haben die fünf Berliner für ihre laufende Tour zum neuen Album "Therapie" ja doch eine geradezu ideale Konzerthalle gefunden.


Prallvoll ist der Saal wie kürzlich schon in Halle und in Döbeln. Und Rockhaus, in der ewigen DDR-Hitparade für alle Zeiten auf Platz 2 direkt hinter den Puhdys, belassen es nicht dabei, alte Kracher wie "Bleib cool" zu spielen. Der Schwerpunkt liegt erstmal auf neuen Stücken wie "Gegenverkehr", die spielt das Quintett viel muskulöser und kantiger als auf dem Album.

Mittelpunkt der Show ist wie stets Sänger Mike Kilian, der mit seiner Dreieinhalb-Oktaven-Stimme alle Nuancen zwischen samtigem Kuscheldeckensound und straff gespannter Klavierseite abdeckt. Mal ist er Freddie Mercury, dann kurz mal Michael Jackson, mal haucht er zart, dann schreit er, dass die Gewölbewände wackeln.

Das Programm reicht von den aktuellen, eher privaten Songs bis zu politischen Stücken wie "Wir" vom Vorgängeralbum "Treibstoff" und geht dann immer weiter in der Zeit zurück. Reinhardt Repke am Bass, Reinhard Petereit (git), Heinz Haberstroh (dr) und Keyboarder Carsten Mohren spielen jetzt "Mich zu lieben" und "Träume", das Lied von den verlorenen Illusionen, die düstere Ballade "Gefühle" und begleitet von einem euphorischen Chor das nagelneue "Kaleidoskop", das sofort auf Augenhöhe mit den alten Hymnen ist.


Nach zwei Stunden krönt das Finale dann natürlich der größte Rockhaus-Hit "I.L.D.", diesmal mit einem Keyboardsolo im Hammondstil. Falls jemand fragt: Rockhaus, das sind die, die auch wie Dylan klingen können.


Samstag, 14. November 2015

Apparat: Elektroden in Ekstase

Ein Boxset zeigt Sachsen-Anhalts unbekannten Star Sascha Ring, der aus Quedlingburg stammt, sich Apparat nennt und derzeit der erfolgreichste Künstler des Landes ist.

Weit weg von normaler Diskomusik, ja, von Musik überhaupt ist das, was Sascha Ring als junger Mann gemacht hat. Knapp über 20 war der gebürtige Quedlinburger, als er unter dem Namen Apparat sein Debütalbum „Multifunktionsebene“ einspielte, eine Sammlung introvertierter Geräuschkollagen, die ohne Gesang und Melodie auskommen.

Es scheppert hier zärtlich, es knirscht, rauscht und Töne wallen vorüber, die Lieder heißen „Nato“ und „Fuckedup“ und sie lassen kaum erahnen, dass hier ein kommender Superstar der elektronischen Musik seine ersten, vorsichtig tastenden Schritte geht.

In einem Boxset gebündelt mit der EP „Tttrial and Eror“ und dem zweiten Album „Duplex“ hat das Berliner Label Shitkatapult die frühen Werke des heutigen Dance-Gurus, der auch mit dem DJ-Duo Modeselektor zusammen als Band Moderat Hitparadenerfolge sogar in Großbritannien feierte.
Hier aber ist noch der pure Apparat zu hören, ein Frickler und Soundbastler, der nach einer ganz eigenen Methode Musik macht. Apparat lässt selbstprogrammierte Algorithmen Tonsignale per Zufallsgenerator verändern, daraus entsteht eine Art dahinfließender Soundstrom, der an La Düsseldorf und Roedelius erinnert.

Sascha Ring, der mittlerweile ein großes Stück Richtung Mitte der Popwelt gerückt ist, nennt diese Arbeitsweise „de-beautified“, also „entschönern“. Doch das Ergebnis ist keineswegs unschön. Zwar fehlen vor allem am Anfang, bei den ganz frühen Soundbasteleien, die heute so prägnanten Beats ebenso wie die echten Instrumente, mit denen Sascha Ring etwa bei den MTV-Live-Sessions auftrat - als erster Künstler aus Sachsen-Anhalt.

Doch der repetitive Grundton ist bereits zu hören, auch die Einbeziehung von nicht-elektronischen Klangerzeugern nimmt spätestens mit dem rhythmisch orientierten Album „Duplex“ zu. Dass Ring als „Apparat“ eine ideale Besetzung für die Herstellung von Film- und Theatermusiken wäre, ist hier schon zu hören.

 Als würde er unsichtbare Landschaftsaufnahmen untermalen, kombiniert der Musikapparat aus dem Harz Geräusche aller Art mit überwiegend elektronisch erzeugter Musik. Es gibt gelegentlich Gesang wie in „Wooden“ und hin und wieder scheinen die Soundschichten auch komplett jeden Zusammenhalt zu verlieren wie etwa im fast fünfminütigen „Schallstrom“, das den Eindruck macht, als sei es eigentlich aus vier verschiedenen Kompositionen zusammengesetzt.

130 Minuten Musik enthält die Box insgesamt, der größte Teil davon ist mehr Ambient als Techno, mehr Traum- als Tanzmusik. Wo Apparat später gediegene Unterhaltungsmusik für Erwachsene gemacht hat und es mit Moderat sogar schaffte, aus den gemeinsamen Techno-Wurzeln verstörend eingängige Pop-Songs zu züchten, sind die 29 Kompositionen hier noch Rohstoff, Ideenhalde und ungeordnetes Klangchaos. Den anderen Apparat, den Apparat von Schönklang und Harmonie, gibt es derzeit auf Live-Tournee.

Termine hier:
www.apparat.net

Dienstag, 10. November 2015

Smartphones - digitale Tagediebe

Smartphones - die kleinen Alleskönner ändern den Alltag, sie ändern die Gesellschaft - vor allem aber scheinen sie inzwischen jeden einzelnen Menschen zu ändern.

Was für eine Frage! Lieber das Handy mit in den Urlaub nehmen oder eine Zahnbürste? Die Antwort ist doch klar, zumindest für eine Mehrheit der zwischen 18- und 45-jährigen Deutschen: Natürlich bleibt die Zahnbürste zu Hause, wie eine aktuelle Studie des Reiseportals Expedia ergab. Logisch, denn ohne Handy geht diese Generation nicht mal mehr zum Bäcker um die Ecke. Geschweige denn auf zwei Wochen Strandurlaub auf Mallorca.

Nicht einmal acht Jahre nach dem historischen Abend, an dem Apple-Chef Steve Jobs das erst iPhone vorstellte, haben die Mobiltelefone mit den Touchscreens den Alltag, die Gesellschaft, vor allem aber jeden einzelnen ihrer Nutzer verändert. Neue Krankheiten wie Whatsappitis und das Phubbing genannte Dauerstarren auf den kleinen Bildschirm in der Hand machen sich breit. Menschen laufen blind durch Städte, weil sie eine Navi-App beobachten. In Kneipen wird gewischt und gelesen, gepostet und geknipst statt zu diskutieren und zu argumentieren.
Alexander Markowetz von der Uni Bonn hat jetzt untersucht, was Smartphones mit Menschen machen - nämlich ganz knapp und grausam gesagt "abhängig, unproduktiv und unglücklich".

Markowetz, Juniorprofessor für Informatik, weiß, wovon er spricht. Der Forscher hat - ironischerweise mit Hilfe einer App die von Informatikern und Psychologen der Universität Bonn zu Forschungszwecken entwickelt worden war - die Handy-Nutzung von 60 000 Personen ausgewertet, die freiwillig über die App "Menthal" Daten an ihn zu liefern bereit waren. Das Ergebnis der Massensammlung ist erschreckend. Im Durchschnitt aktivierten die Besitzer 53 Mal am Tag ihr Handy. Sie unterbrechen damit alle 18 Minuten ihre jeweilige Tätigkeit, mit der sie gerade beschäftigt sind ein Reflex, dem viele schon unterbewusst nachgehen.

"Smartphone-Apps funktionieren wie Glücksspielautomaten", glaubt Markowetz, "wir betätigen sie immer wieder, um uns einen kleinen Kick zu holen". Das Verhalten sei kein exklusiver Tick der Jugend, es ziehe sich vielmehr durch alle Altersgruppen und sozialen Schichten. "Wir erleben die Entstehung des Homo Digitalis, der einen Großteil seiner Tätigkeiten mittels digitaler Medien abwickelt", sagt Markowetz, der die Entwicklung inzwischen schon bedenklich findet. "Ein Großteil der Zeit verbringen die Menschen mit Social-Media-Anwendungen wie Facebook, WhatsApp und Spielen."

Die digitale Realität verdrängt die Wirklichkeit, was weiter weg passiert, ist im Zweifelsfall wichtiger als das, was unmittelbar erlebt wird. Das Wort Echtzeit bekommt eine neue Bedeutung, seit dank Internet-Flatrate jede Information jederzeit sofort abrufbar ist. Kein Grund mehr für Diskussionen, Wikipedia liefert umgehend Fakten.

Für dramatisch hält Alexander Markowetz dabei besonders die ständigen Unterbrechungen. "Sie erlaubten es nie, sich einer Tätigkeit vollauf zu widmen", urteilt er. Die Folgen seien Unproduktivität und mangelndes Glücksempfinden, weil irgendwo immer das Gefühl herrsche, etwas zu verpassen.

Mittwoch, 4. November 2015

Magix Video deluxe 2016: Fern­seh­stu­dio fürs Wohn­zim­mer


Video deluxe 2016 ist das bislang ausgefeilteste Programm der deutschen Firma Magix - aber es fordert den Rechner mehr als seine Vorgänger.

Ruckelt er zu stark, ist dein Rechner zu schwach, so sieht es aus bei Video deluxe 2016, der neuesten Programmvariante des gleichnamigen Filmstudioklassikers der Berliner Softwareschmiede Magix. Seit 2001 hat sich das Schnitt- und Bearbeitungsprogramm zum meistverkauften zumindest in Europa gemausert - und die inzwischen 22. Version des kompletten Fernsehstudios fürs Wohnzimmer tritt an, diese Führungsposition zu verteidigen.

Magix hat die bewährte Software dazu ein weiteres Mal aufgebohrt und neue Funktionen implementiert, um auf der Verarbeitungsseite mit den immer höheren Anforderungen immer hochauflösender Kameras mitzuhalten. Deshalb auch das Ruckeln und das Auseinanderfallen der Synchronität von Bild und Ton bei Anwendern, deren PC die Minimalvoraussetzungen von Vierkernprozessor mit 2,8 GHz und 2 GB Arbeitsspeicher nicht erfüllt.

Alle anderen aber haben mit Video deluxe 2016 ein mächtiges Werkzeug in der Hand, fast schon professionell Filme schneiden zu können. Dazu wird das Rohmaterial - erstmals erlaubt Magix auch 4K-Filme - einfach aus dem eingeblendeten Verzeichnis auf die Arbeitsoberfläche gezogen, die sich nicht allzusehr verändert hat. Einziger wirklich sichtbarer Unterschied leider: Die Tonspur wird nicht mehr wie bisher komplett angezeigt, sondern nur noch in einer Art Sparvariante, in der sie kaum zu erkennen ist. Klarer Rückschritt, der sich auch in den Standardeinstellungen nicht dauerhaft beheben lässt.

Alles andere aber ist gut überlegt und intuitiv auch von Neulingen zu bedienen. Deluxe 2016 akzeptiert das Einfügen von Material aller gängigen Video- und Bildformate, an Bord ist die Videostabilisationssoftware Mercalli V4 (in der Premium-Variante), dazu gibt es eine umfangreiche Bibliothek mit lizenzfreier Musik, die es erlaubt, eigene Videos etwa zu Youtube zu laden, ohne dort eine Sperrung wegen Urheberrechtsverletzungen zu riskieren.

Alle Elemente von Vorschaubildschirm bis Bearbeitungsspuren lassen sich verschieben, vergrößern oder ausblenden, fertige Vorlagen für Übergänge, Schnitte und sogar ganze Filme ersparen das mühsame Herumfummeln per Hand. Auch die Unterlegung von Bildern mit Musik im Takt lässt sich jetzt automatisieren: Der integrierten Takterkennungsassistent analysiert die untergelegte Musik und schneidet Videosequenzen ins selbe Tempo. Ist das eigene Filmprojekt dann fertig stabilisiert, zusammengeschnitten und auf Takt mit Musik unterlegt, lässt es sich im Format der eigenen Wahl exportieren.

Direkt zum Programm:
www.magix.com