Unvermittelt pflegten sie aufzutauchen, unangekündigt sowieso. Der Schuldirektor,- im Schlepptau ein, zwei Lehrer. "Ranzenkontrolle", blökte einer durch den Raum. Die Deutschstunde jedenfalls war gelaufen. Wenn nicht sogar der ganze Tag. Wurden die gnadenlosen Suchtrupps nämlich fündig, brach das Donnerwetter über den betreffenden Schüler herein. "Schundund Schmutzliteratur" in der Schultasche verwahrt zu haben, zog regelmäßig regelrechte Verhöre nach sich: Woher stammt die Konterbande? An wen wurde das inkriminierte Groschenheft bereits verliehen? Wer besitzt ähnliches "gedrucktes Gift" (NBI)? Wo sind Mickey Mouse, Lucky Luke, Donald Duck und die anderen versteckt? Und warum gab sich der Ertappte mit solchem "geistigen Müll" ab?
Der verderbliche Einfluss, den "westlich-dekadente" Bildgeschichten auf den kindlichen Charakter haben, war in der DDR unumstritten. Dagobert Duck galt als die Inkarnation des bösen, geldgierigen Kapitalisten, Lucky Luke als indianermordender Cowboy. Der Kalte Krieg zwischen Ost und West tobte und die fröhliche Unverkrampftheit der bunten Heftchen konnte so nur eine ganz besonders perfide Masche sein, um den Sozialismus, von dem man felsenfest meinte, er "erstarke" unablässig, zu zerschmettern.
Doch alle Kämpfe an der ideologischen Front, alle Ranzenkontrollen nebst harter Bestrafung erwischter Delinquenten nützen nichts. Die Seuche Comics, ausgebrochen in den USA der vierziger Jahre und von den siegreichen amerikanischen GIs nach Deutschland verschleppt, hatte zum Ärger der SED-Führung auch die halstuchbeschlipste DDR-Jugend angesteckt.
Dig, Dag und Digedag hießen Hegens knollennasige Helden, die in den nachfolgenden 21 Jahren und insgesamt 229 Heftnummern Abenteuer auf Mars, Mond und Erde, im Amerika der Gründerzeit, im Mittelalter, und Gott weiß noch wo erleben sollten. Anfangs von misstrauischen Beobachtern unter Generalverdacht der Jugendverblödung gestellt, gelang es den Digedags genannten Dreikäsehochs mit ihren einfachen und "sauberen" moralischen Ansichten und Ansprüchen schnell zu wahren Kultfiguren zu werden.
Obgleich die Druckauflage seit Anfang der sechziger Jahre beständig - wenn auch stets nur "im Rahmen der ökonomischen Möglichkeiten" - gestiegen war, reichte das Angebot hinten und vorn nicht, um die Nachfrage auch nur annähernd zu befriedigen. Das "Mosaik", sechzig Pfennig teuer und zu seinen Hochzeiten mehr als eine Million Mal im Monat verkauft, avancierte zur gefragtesten Bückware an den Zeitungskiosken zwischen Ahrenshoop und Zittau. Im Abonnement hatte Hegens bahnbrechende Neuerfindung des- Comic als sogenannte Bilderzeitschrift eigentlich von Anfang an eines dieser Sternchen, die besagten: "Neu-Abo nur möglich, wenn Alt-Abonnent stirbt."
Trotz oder gerade wegen dieser, alle Parteitagsbeschlüsse und Republikgeburtstagsverpflichtungen hartnäckig überlebenden Erschwernisse wuchsen glatte drei Generationen von DDR-Kindern mit Dig, Dag, Digedag; dem gutmütig-doofen Ritter Runkel, mit dem lächerlichen Bösewicht Coffins und all den anderen '. freundlichen, skurrilen Gestalten auf. Reisten die von ihren Fans liebevoll "Digis" genannten Gnome in die Zukunft, in der ihnen von glücklichen sozialistischen Menschen nur so wimmelnde gigantische Flughäfen und natürlich gemeinschaftliche genutzte Elektro-Autos begegneten, reisten zumindest alle DDR-Bürger zwischen acht und sechzehn mit. Ging der Ausflug in die ferne Vergangenheit der Kreuzzüge, wartete man nicht weniger gespannt auf die' nächste Folge.
Wie das Abenteuer ausgehen würden, war natürlich immer vorher klar. Die
Im Unterschied zu "kapitalistischen Comics" hatte Hegens "sozialistische Bilderzeitschrift" vor allem in den ersten Jahren erklärtermaßen eine erzieherische Funktion neben der rein unterhaltenden. Abenteuer, Flüge, ferne Welten und fremde Gestade dienten vorzugshalber als Kulisse für naturwissenschaftliche Kurzvorträge eines Koerzählers namens "Lexi , der es sich bei passender Gelegenheit auch nicht nehmen ließ, vorsichtige Agitation mit chemisch-physikalischen Neuigkeiten zu verbinden.
Die Parallelen zur Wirklichkeit ist so unübersehbar wie beabsichtigt: Die Digedags
Seit Anfang Dezember gibt es die Digedags in einer eigenen Dauerausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig zu erleben.
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