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Sonntag, 3. Februar 2019

Kurt Demmler: Ein Schrei ohne Ton




Er war Staatstexter, DDR-Kritiker, Lieferant unvergesslicher Hits für Renft, Karat, Electra und Puhdys und Nationalpreisträger. Vor zehn Jahren erhängte sich der Liedermacher im Gefängnis - angeklagt wegen Kindesmissbrauchs.


Er wolle nichts mehr hören, nichts mehr sehen, nichts mehr erinnern. "Ich bin damit durch", sagt Kurt Demmler, "es ist lange her, und ich möchte nicht mehr darüber reden." 1968 in der DDR, natürlich, das ist sein Thema, nickt der Mann, der damals begonnen hatte, mit eigenen Liedern und mit dem "Oktoberklub" aufzutreten. "Aber wen interessieren diese alten Geschichten noch?"

Ihn selbst nicht, denn ihn selbst quälten längst andere Gedanken. Demmler, der produktivste und erfolgreichste Popmusik-Texter der DDR, wusste in jenem Frühsommer 2008 schon, dass sich dunkle Wolken über ihm zusammenzogen. Nach einer Anzeige von mehreren jungen Frauen ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Kindesmissbrauchs. Demmler, aus Berlin nach Storkow in Brandenburg gezogen, schaute vom Schreibtisch aus auf den See und dichtete Düsteres. "Mein Wort teilt meine Not / mit bedauernden Zeilen und trockenem Brot", reimte der 65-Jährige im Juli 2008. Eine Woche später klickten die Handschellen. Demmler, DDR-Nationalpreisträger, Tantiemen-Millionär und Autor von Hits wie "König der Welt" und "Du hast den Farbfilm vergessen", saß plötzlich in Untersuchungshaft.

"Mein Wort teilt meine Not / mit bedauernden Zeilen und trockenem Brot." Kurt Demmler Liedermacher

Die Staatsanwaltschaft war überzeugt, dass der Liedermacher und Texter von Gruppen wie den Puhdys, Karat und Renft sich zwischen 1995 und 1999 an sechs minderjährigen Mädchen vergangen habe. Allein die damals 14-jährige Liselotte B. hat er laut Anklage mehr als 180 Mal missbraucht.

Die Opfer, aus denen Demmler die Gruppen "Kussecht" und "Zung'kuss" hatte machen wollen, sagten aus, der Liedermacher habe sich von ihnen befriedigen lassen. Demmler leugnete. Doch eine Vorstrafe aus dem Jahr 2002 sprach gegen ihn.

Die Fans seiner großen Jahre, als keine Hitparade ohne Demmler-Reime auskam, waren entsetzt. Die letzten Freunde, die dem langjährigen Wahl-Leipziger nach seinem freiwilligen Rückzug 1986 geblieben waren, wandten sich ab.

Es ist der tiefe Sturz eines "sensiblen, schrullenhaften und im Privaten schwer zu ertragenden Hochtalents", wie ihn seine Texterkollegin Gisela Steineckert einmal charakterisierte. Demmler, als Kurt Abramowitsch in Posen geboren und in Cottbus aufgewachsen, hatte früh begonnen, Gedichte zu schreiben. Erst das popmusikalische Tauwetter in der DDR Ende der 60er aber gibt dem Medizinstudenten Gelegenheit, Karriere als Dichter zu machen.

Kurt Demmler, Fan von West-Beat und Radio Luxemburg, lernt im Leipziger Jazzclub den gerade mit Spielverbot belegten Klaus Renft kennen. Für dessen Combo liefert er seine ersten Auftragstexte; hier begründete der "Pseudo-Lutheraner und Humanist" (Renft-Sänger Thomas Schoppe) auch seinen Ruf, der einzige Mann, zu sein, der "eine ganze Langspielplatte in zwei Tagen betexten kann" (Renft-Gitarrist Peter Gläser).

Solche Talente sind gesucht in der DDR, wo der Zensor immer das letzte Wort hat. Demmler, nebenbei auch als Liedermacher mit eigenen Songs unterwegs, spricht die poetische Sprache des Systems: Seine Verse lavierten zwischen Wirklichkeit und Wolken, schnell ist er auch bereit, an Formulierungen zu feilen, wenn sie Lieder bedrohen. Und im Prinzip bleibt Demmler immer auch ein bisschen Staatsfeind: Solidarisiert sich mit Wolf Biermann, kritisiert die Enge der Arbeiter-und Bauernrepublik in verschlüsselten Versen und singt Mitte der 80er von Stasi-Überwachung.

Ein Pragmatiker der Poesie, dem geflügelte Worte nur so aus den Schreibmaschinentasten springen. Demmler verteilt, was er hat, an Schlagersänger wie Karel Gott und Rockbands wie die Puhdys, an Bekannte und Unbekannte. Er schreibt Leichtes wie "Liebling, ich verspeise Dich zum Frühstück", Gedankenschweres wie "Ermutigung" für Renft und Todtrauriges wie "Schrei ohne Ton" für den DDR-Popstar Bummi Bursi. Unterwegs auf Tour lebt er dazu ein echtes Rock'n'Roll-Leben: Es gibt Groupies, es gibt Sex, und niemand fragt die Mädchen am Hintereingang nach ihrem Personalausweis.

Damals ist das allenfalls ein Augenzwinkern wert. Der Liederdichter dichtet der Gruppe Dialog den Text "Noch nicht 16" dazu. "Ach, man wird nicht minder / schon durch solche Kinder angemacht", klagt er. Am 3. Februar 2009  um 6.30 Uhr wird Kurt Demmler in seiner Gefängniszelle in Berlin Moabit erhängt aufgefunden. Er hinterlässt keinen Abschiedsbrief, aber eine Frau, zwei Kinder, drei Enkel - und rund zehntausend Liedtexte. Auf seiner Homepage demmlersong.de wirbt heute ein Hersteller von Kaffeeautomaten für sich.




Montag, 5. Juni 2017

Big Brother im Bundestag: Erich Mielkes feuchter Traum


"Der Bundesrat hat in seiner 958. Sitzung am 2. Juni 2017 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 18. Mai 2017 verabschiedeten Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises gemäß Artikel 84 Absatz 1 Satz 5 und 6 des Grundgesetzes zuzustimmen", heißt es auf der offiziellen Seite des Ländergremiums lapidar. Im Bundestag hatte die Mehrheit von Schwarz-Rot zuvor für das Gesetz votiert, wie die grün mitregierten Länder sich in der Abstimmung im Bundesrat verhalten haben, ist nirgends vermerkt. Klar ist jedoch: Das neue Gesetz öffnet die Türen weit zu einem Überwachungsstaat ganz neuer Qualität. Erich Mielke, der Chef der Staatssicherheit der DDR, hat vom Ausmaß dessen, was das als "Drucksache 391/17" öffentlich kaum wahrgenommene Gesetz möglich machen wird, nicht einmal feucht geträumt.

Denn die neue Bestimmung sorgt nicht nur dafür, dass die bisher von 90 Prozent der Deutschen verschmähte und ignorierte Möglichkeit, die elektronischen Komponenten des Personalausweises freischalten zu lassen und zu nutzen, künftig von Amts wegen freigeschaltet werden. Sondern sie gestattet es "Polizeibehörden des Bundes und der Länder, dem Militärischen Abschirmdienst, dem Bundesnachrichtendienst, den Verfassungsschutzbehörden, Steuerfahndungsdienststellen, dem Zollfahndungsdienst und den Hauptzollämtern“ nebenher aus, die Datenbanken, in denen die Personalausweis-Passbilder der Deutschen gespeichert sind, automatisch zu Fahnungszwecken zu nutzen.

Dazu braucht es keinen richterlichen Beschluss, nicht einmal ein staatsanwaltschaftliches Ersuchen. Die befugten Behörden bekommen -bis Mai kommendes Jahres einfach einen eigenen Zugang zu den Lichtbild-Archiven, in denen sie dann abprüfen können, was immer sie wollen, sobald es ihnen nötig scheint. Was und warum das ist, bleibt Geheimnis der jeweiligen Behörde. Weder Bürger, die Gegenstand einer Recherche geworden sind, noch Datenschützer erhalten Informationen darüber.

Ein mächtiges Werkzeug, das künftig noch mächtiger werden wird, wenn Gesichtserkennungprogramme, wie sie Google und Apple bereits entwickelt und - zumindest außerhalb Deutschlands - eingeführt haben, immer treffsicherer werden. Da der Personalausweis nicht nur ein elektronisches Passbild enthält, sondern auch die Fingerabdrücke des Inhabers, ist die Identifizierung eines Menschen nach einem Abgleich eines Fotos, das zum Beispiel mit einer Überwachungskamera gemacht wurde, ein Kinderspiel. Der Abgleich könnte automatisch erfolgen, zugegriffen werden könnte, befürchten Datenschützer, eines Tages auch auf die Kameras des Maut-System, die derzeit noch nur benutzt werden dürfen, um Fotos von Lkw-Kennzeichen zu machen.

Im Augenblick schließt die Politik eine solche flächendeckende Überwachung noch aus. Doch die Geschichte der Vorratsdatenspeicherung (VDS) lehrt, dass die Betonung immer auf "noch" liegt: Als die zuvor als verfassungswidrig abgeschaffte VDS zum zweiten Mal eingeführt wurde, wurde festgelegt, dass die von Providern zu speichernden Verbindungsdaten und GPS-Positionen ausschließlich bei der Verfolgung schwerer und schwerster Straftaten genutzt werden dürfen, also etwa bei Mord wie im Fall der 2015 in Halle ermordeten Studentin Mariya Nakovska.

Der Vorsatz hielt nicht lange. Eben erst hat die Bundesregierung die Liste der Delikte verlängert, bei denen Kommunikations- und Standortdaten abgefragt werden dürfen: Neben Delikten wie Völkermord, Hochverrat, Mord und Totschlag oder Verbreitung von Kinderpornografie sollen Ermittler künftig auch bei einfachem Einbruchdiebstahl auf die Daten zugreifen können. Die Bundesregierung ließ sich dabei auch nicht von einem Urteils des EuGH irritieren, der die Vorratsdatenspeicherung zwischenzeitlich als "rechtswidrig" verworfen hatte.

Keine zwei Jahre waren seit der Wiedereinführung der VDS vergangen und schon war sie vom Werkzeug der letzten Not zum polizeilichen Alltagsinstrument gegen Trivialkriminalität geworden. Ebenso schnell könnte es bei der Nutzung der Lichtbildarchive der Personalausweisregister und ihrer Verknüpfung mit den biometrischen Datenbanken der Fingerabdrücke und hochintelligenten Gesichtserkennungsalgorhitmen gehen. Big Brother wird es dann einfach wie nie: Sobald das Bild eines Verdächtigen vorliegt, reicht ein Tastendruck, um seinen Namen und seine Daten zu ermitteln.


Freitag, 12. Dezember 2014

John Travolta mimt in Dessau falschen Polizisten

Eine Öffentlichkeitsfahndung nach einer Amtsanmaßung in der Lutherstadt Wittenberg führt offenbar auf die Spur eines bekannten Hollywood-Schauspielers: Das Phantombild (oben rechts), das die Polizei veröffentlicht hat, deutet darauf hin, dass der Mime John Travolta (oben links) hinter den rätselhaften Ereignissen von Anfang Oktober stecken könnte.

Damals hatte die auf dem Phantombild abgebildete Person gegen 14.09 Uhr unter dem Vorwand, ein angeblicher Polizist von der Dessauer Kripo zu sein, versucht, in einen Wohnblock in der Lutherstadt Wittenberg zu gelangen. Gegenüber den Bewohnern äußerte der Mann, dass sich im Wohnhaus ein vermeintlicher Täter aufhalten würde.

Gemeinsam mit dem falschen Polizisten, der sich auf Befragen nicht ausweisen konnte, gehörte ein angeblicher Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes, nach dem aber nicht gefahndet wird, weil Schlüsseldienstmitarbeiter kein geschütztes Amt ist.

Sowohl Travolta als auch sein Begleiter scheiterten mit ihrem Vorhaben, das Treppenhaus zu betreten. Bewohner wiesen sie kurzerhand ab. Die Polizei bittet um Hinweise zur Identität der Person unter der Telefonnummer des Polizeireviers Wittenberg 03491 / 469-290 oder per E-Mail an

prev-wittenberg@polizei.sachsen-anhalt.de