Samstag, 30. März 2013

Das ist der Saaleschaum-Blues

Gerade bei Saaleschwimmer.de gefunden - ein ganz altes Bild, das ich Ende der 80er Jahre in der Nähe des Buna-Werkes gemacht habe. Das Foto hatte sich das Stadtmuseum auch schon mal für eine Ausstellung.

Komischerweise scheint es nicht viele Bilder dieser apokalyptischen Landschaften zu geben, obwohl die doch damals fast täglich zu besichtigen gewesen wären. Vermutlich fanden wir das alles normal. Und was normal ist, fotografiert man halt nicht.

Mittwoch, 27. März 2013

Todestag von Diestelmann



Immer noch beeindruckend, welche Präsenz dieser Mann selbst auf einer Bühne gehabt hat, die ein kleines Boot auf dem Ammersee war. Der hat eigentlich sein ganzes Leben gespielt - und nicht nur den Blues. Den aber konnte er besonders gut - heute vor sechs Jahren ist Stefan Diestelmann gestorben. Die genauen Umstände sind immer noch unbekannt, vermutlich werden sie nie offenbar werden. Ich schätze, das hätte ihm gefallen.



Dienstag, 26. März 2013

Als die Erde erwachsen wurde

Seine Kinder hütet Klaus Vogel ganz oben unter dem Dach. Im Studierzimmer sind sie aufmarschiert wie zur Parade: Auf dem Bücherregal eine bunte Prachttruppe, die sich über eine Mechanik synchron drehen lässt. Auf dem Schreibtisch ein paar Zwergausgaben, gegenüber auf dem Schrank einige große gläserne Exemplare. Erdbälle, wie sie in keinem Geographie-Kabinett einer deutschen Schule stehen.

Klaus Vogels Exemplare haben zwar dieselben schrägen Achsen, sie zeigen auch dieselben Kontinente. Doch in seinem durchsichtigen Bauch trägt jeder Globus aus der Werkstatt des Sachsen immer noch einen zweiten, kleineren Erdball. So baut Klaus Vogel seit mehr als 30 Jahren an einer Erklärung der Welt, die seiner Ansicht nach ganz anders ist als alle Schulweisheit behauptet. "Unsere Erde", ist der 81-Jährige sicher, "ist ein Planet, der aus allen Nähten geht." Seit Jahrmillionen wachse die Weltkugel beständig - einst war sie eine kleine Kuller, heute ist sie angeschwollen wie die Außenschale seiner Weltmodelle aus Klebstoff und Plastik, die von hier aus seit Jahrzehnten auf Reisen rund um die echte Erde gehen. Bei Tagungen in Kanada dienten Vogel-Globen ebenso zur Verdeutlichung der Theorie von der expandierenden Erde wie in Italien, den USA und Asien.

Eine Weltkarriere, geboren aus tiefer Enttäuschung. Anfang der 70er Jahre zwang die DDR-Führung kleine private Firmen wie den Steinmetzbetrieb des studierten Bauingenieurs unter staatliches Diktat. Vogel, bis dahin Chef in dem Betrieb, den sein Vater im Jahr 1900 gegründet hatte, war plötzlich nur noch Angestellter. "Das hat ihm schwer zu schaffen gemacht", erinnert sich seine Frau Eva-Maria. Der Vater zweier Kinder, der als Junge von seinem Geografielehrer Geschichten über mutige Forscher und ihre atemberaubenden Theorien gehört hatte, begann Bücher wie "Die wachsende Erde" zu lesen. "Mehr für mich selbst habe ich dann den ersten Doppelglobus gebastelt", erzählt der großgewachsene drahtige Mann mit funkelnden Augen. Vogel wollte sehen, "ob die Ränder der Kontinente wirklich zusammenpassen, wenn man die Luft aus der Erde lässt". Mit Rechenschieber und Gummiball schrumpft Vogel einen handelsüblichen Globus auf die Hälfte und belässt die Kontinente dabei in Originalgröße. "Das passte alles", erinnerte er sich, "und ich dachte, nein, das kann kein Zufall sein." Der Hobbyforscher hatte seine Aufgabe gefunden.

"Das hat ihm das Leben gerettet", glaubt Eva-Maria Vogel heute. Während der Betonwerksteinbetrieb jetzt Treppenmodule in Serie fertigen muss, steckt der Chef seine Kreativität in Experimente mit Luftballons, Fußbällen und Glaskugeln. Aus den unbeholfenen ersten Vogel-Globen werden immer aufwendigere, immer raffiniertere Kunstwerke. Am Wochenende, wenn Platz ist auf dem Werkshof neben dem Haus, in dem Familie Vogel bis heute lebt, wird gelegentlich eine Testerde aufgeblasen: "Ein Ballon, außen Beton, dann Luft hinein", erklärt Klaus Vogel wie er "herausbekommen wollte, wie so eine Kontinentalplatte bricht." Ähnliche Versuche stellt er mit ausgeblasenen Eiern an, die er über einen eingeführten Ballon zum Platzen bringt, um die entstehenden Schalenstücke mit Karten von Bruchflächen in der Erdkruste zu vergleichen.

Denn von Bruchbildern versteht Klaus Vogel etwas. "Spannung, Dehnung, Bruch", sagt er, "das ist Betontechnologie im planetaren Maßstab." Seine Ergebnisse teilt der Privatgelehrte schon in den 70er Jahren mit anderen Expansionsenthusiasten. Briefe und Pakete mit sorgsam verpackten Vogel-Globen gehen nach Tasmanien auf die Reise, wo mit Samuel Carey der Nestor der Expansionstheoretiker lehrt. Mit dem halleschen Professor Max Schwab konferiert Vogel ebenso regelmäßig wie mit Wissenschaftlern in Polen, Russland, Großbritannien und Italien. 1984 gibt ihm die Gesellschaft für Geologische Wissenschaften der DDR sogar Gelegenheit, seine Überlegungen zur wachsenden Erde auf der Jahrestagung und im Akademie-Verlag vorzustellen. Die DDR-Behörden lassen ihn gewähren. Vogel darf seine Kontakte zu Gleichgesinnten in den USA und Kanada, in Westdeutschland und Skandinavien halten. Doch jeder Antrag des Sachsen, eine der vielen Einladungen zu internationalen Symposien annehmen zu dürfen, wird abgelehnt.

Nur die Globen lässt man reisen -und Wissenschaftskollegen wie der Australier Samuel Carey kommen selbst nach Werdau, um ihren Vater und Erfinder persönlich kennen zu lernen. "Carey stand eines Abends mitten im dicksten Winter mit wehendem Mantel auf dem Bahnsteig", erzählt Klaus Vogel, "weil bis dahin alle Züge ausgefallen waren, hatten wir schon nicht mehr geglaubt, dass er es her schafft." Es ist der Beginn einer Männerfreundschaft über ideologische, geographische und sprachliche Grenzen hinweg. Der Weltkriegsveteran aus Tasmanien und der Bauingenieur aus Sachsen sprechen dieselbe Sprache, wenn es um Kontinentaldrift und Subduktion, um den Urkontinent Panganea und die asymetrische Dehnung Australiens geht.

 Dass die herrschende wissenschaftliche Meinung ihrer Theorie von einer Erde, die seit 600 Millionen Jahren anschwillt wie der Rührkuchen in der Röhre, keine Chance gibt, ficht Klaus Vogel nicht an. Auch nach dem Mauerfall, als er seine Firma endlich zurückübertragen bekommt, baut er weiter unverdrossen seine Globen, heute längst High-Tech-Wunderwerke aus echten Globus-Halbschalen und russischen Kosmoskarten, die ihm Forscherkollegen aus Moskau schicken. Mit ihnen zieht der Globusmann, wie sie ihn in Werdau nennen, von Tagung zu Tagung, von Kontinent zu Kontinent und zwischendrin durch die Schulen der Region. Vogel verkündet seine Wahrheiten nicht als die letzten, er wirbt nur einfach dafür, zu zweifeln und zu forschen. Denn natürlich beantworte die Expansionsthese nicht nur viele ungelöste Fragen, sagt er, nein, sie stelle noch mehr neue. "Wir wissen ja bis heute nicht, was die Ursache der Ausdehnung sein könnte." Nur dass es sie gibt, davon ist Klaus Vogel überzeugt. Auf Kongressen am National-Institut für Vulkanismus in Italien, an der TU in Berlin oder in Griechenland hatte er zuletzt Auftritte mit seinen Globus-Kindern.

Demnächst geht es nach Sibirien zu einer Tagung über den Tunguska-Meteoriten, der vor 100 Jahren mit der Kraft von tausend Hiroshima-Bomben in die Taiga krachte. Aber gar kein Meteorit war, wie Klaus Vogel den Forscherkollegen mit Hilfe seiner Globen und des Propanantriebs des Firmen-Gabelstaplers erklären wird. "Methan, das wegen der Expansion aus der Erdkruste austritt, hat die Explosion verursacht", glaubt er und lächelt: Wenn ein Mann wirklich eine Aufgabe braucht - dieser hier hat die seine gefunden.


THEORIE AUS DEN TIEFEN DER ZEIT

Kontinente unter acht Kilometern Wasser

Vor hundert Jahren fiel es dem italienischen Geowissenschaftler Roberto Mantovani wie Schuppen von den Augen: Wäre die Erde vor Millionen Jahren viel kleiner gewesen, hätte ein geschlossener Kontinent ihre Oberfläche nahezu ebenerdig bedeckt. Erst später, so der Forscher, sei dieser Urkontinent wohl durch vulkanische Aktivitäten auseinandergebrochen. Die Erde wuchs, die Kontinentstückchen entfernten sich voneinander, beschrieb der Berliner Physiker Ott Christoph Hilgenberg in seinem Buch "Vom wachsenden Erdball". Denke man sich die Erde nur halb so groß wie heute, argumentierte er, passten die Ränder der Kontinente besser zueinander, als sie es nach der Lehre von der Kontinentaldrift tun. Andere Probleme aber konnte auch Samuel Carey, einer der Vordenker der Bewegung, nicht lösen. So wären alle Kontinente vor der Ausdehnung von einem 15 Kilometer tiefen Ozean bedeckt gewesen, die Schwerkraft hätte die Dinosaurier auf den Boden gepresst, die Erdrotation hingegen hätte viel höher sein müssen. Das Ausmaß des Wachstums ist zwischen den Expansions-Experten umstritten. Der Geophysiker László Egyed hatte in den 60ern eine Vergrößerung des Erdumfangs von einem Millimeter im Jahr errechnet. Doch wäre sie schon immer so schnell gewachsen, müsste die Erde heute viel größer sein als sie ist.

www.expanding-earth.org
www.final-frontier.ch

Freitag, 22. März 2013

Ein Ort schreit Mord


Mehr als ein Ort schreit da ganz laut "Mord!" Leseempfehlung, nicht nur, weil ich mitschreiben und den ersten Mord mittels Sandstrahlgerät begehen durfte... Kaufen, damit kein Opfer vergebens war!

Dienstag, 5. März 2013

Falkenberg feiert, Halle singt


Zweieinhalb Stunden voller Emotionen, zweieinhalb Stunden voll alter Hits und neuer Hymnen - der Alt-Neu-Hallenser Ralf Schmidt, als IC Falkenberg einer der großen Popstars der DDR, hat zum Auftakt zur Fortsetzung seiner "Freiheit"-Tour ein triumphales Konzert im ausverkauften halleschen Objekt 5 abgeliefert. Am Anfang steht natürlich die Halle-Hymne, die der 51-Jährige nach seiner Rückkehr aus Berlin geschrieben hatte. "Die Stadt, die keiner kennt" porträtiert die Saalestadt aus der Innensicht: Bärbeißig scheinen Hallenser Fremden manchmal, dabei, so heißt es im Lied, werde hier nur das Lächeln nicht verschenkt.

 Heute Abend aber wohl. Von ersten Stück bis zur letzten Zugabe geht der Saal begeistert mit, andächtig lauschen die Fans Falkenbergs kleinen Episoden und Erzählungen, hingebungsvoll singen sie mit, wenn er wie beim globalisierungskritischen "Wetter"-Lied dazu einlädt. Es geht um den großen Begriff Freiheit, und die findet Falkenberg an der Seite seiner halleschen Musiker Scotty Gottwald (git), James Dietze (bg) und Friedrich Hentze (dr) musikalisch. Rockiger als noch im letzten Jahr spielt das Quartett neue Songs wie "Die Leute reden" und "Wo alle sind", Gottwald veredelt das epische "Vor den Kathedralen" mit einem gänsehautfiebrigen Solo und Falkenberg selbst wechselt immer mal wieder von der Akustikgitarre zum Piano und zurück.

 Der Zorn auf die Leute, die er als Verantwortliche hinter den aktuellen Krisen sieht, ist Falkenberg in jedem Moment anzumerken. Voller Energie wirft er sich in seine Lieder, immer aber drehen deren Texte die einfache Realität eine Windung weiter. "Auf den Wiesen der Kindheit" findet der Mann, der als Junge in der Südstraße aufwuchs, die Freiheit, die heute so schwer zu haben ist, weil sie daraus besteht, nein sagen zu können.

 Aber nicht zu müssen. Als das Publikum irgendwann im nicht enden wollenden Zugabenteil den "Mann im Mond" fordert, ein Stück, das mittlerweile ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat, hat die Band das zwar nicht geprobt. Gespielt wird es dennoch unter großem Jubel - einer der Höhepunkte eines höchst emotionalen Abends, der nach dem letzten Ton von der Bühne noch lange nicht endet.

Dienstag, 12. Februar 2013

Kreuzworträtselmord: Der Jäger

Siegfried Schwarz leitete die Fahndung nach dem Mörder von Lars B. Doch ein anderer Fall beschäftigt ihn bis heute viel mehr - und der ist bis heute ungelöst. Er hat diesen einen Fall nie vergessen können. Immer wenn der frühere Kripo-Hauptmann Siegfried Schwarz zurückdenkt an seine Zeit als Chef der Morduntersuchungskommission des Bezirkes Halle, hat er dieses Gesicht vor Augen: Ein Junge mit fröhlichem Blick, sieben Jahre alt, das Leben vor sich. Und dann plötzlich nichts mehr. Ende. Schluss. Aus. Der kleine Maik, sieben Jahre alt, verschwindet in jenem Sommer 1981 spurlos. Er ist mit seinem Vater im Freibad, doch als der ihn zum Nachhausegehen ruft, taucht er nicht auf. Der Vater wartet eine Nacht und meldet den Jungen dann als vermisst. Die Kripo fahndet. Wochenlang.

 "Wir haben wirklich jeden Stein herumgedreht", sagt Siegfried Schwarz. Eigentlich alles ganz genau so wie bei dem Fall, der die Fahnder damals sowieso schon seit Monaten in Atem hielt. Am 15. Januar um 20.30 Uhr war eine Frau auf dem Polizeirevier in Halle-Neustadt erschienen, um ihren Sohn Lars als vermisst zu melden. Ins Kino hatte der Siebenjährige gewollt. Nun war die Vorstellung längst beendet. Alle Freunde waren wieder daheim. Nur Lars nicht, obwohl der Junge vorher noch nie zu spät gekommen war.

Siegfried Schwarz hat die Zeitabläufe auch drei Jahrzehnte danach noch ganz im Kopf. "Um 20.46 Uhr wurde die Fahndung eingeleitet", sagt der Mann, der wenig später als Leiter der Morduntersuchungskommission mit dem berühmtesten Tötungsverbrechen der DDR-Geschichte betraut werden wird. Denn der kleine Lars bleibt verschwunden, spurlos verschwunden sogar. Niemand hat ihn gesehen, keiner weiß, wo er ist. Die Polizei sucht nach dem Kind, sogar öffentlich, was in der DDR nicht alltäglich ist. Doch das hier ist kein Fall wie die meisten der rund 1 250 Vermisstenfälle, die die Kripo im ehemaligen Bezirk Halle jedes Jahr bearbeitet.

"Wir hatten anfangs nichts in der Hand", beschreibt Schwarz, "also haben wir Lautsprecherdurchsagen gemacht und die Zeitung eingeschaltet." Dennoch dauert es noch lange zehn Tage, bis die Sonderkommission Lars weiß, womit sie es zu tun hat. Ein Streckenläufer der Reichsbahn entdeckt einen herrenlosen Koffer an der Bahnstrecke Halle-Leipzig. Als er die Verschlüsse öffnet, findet er den toten Körper des vermissten Jungen. Siegfried Schwarz, der Mitte der 50er Jahre Polizist geworden war und seit Mitte der 60er als Kriminalist in die tiefsten Abgründe menschlicher Seelen geschaut hatte, muss bei der Erinnerung immer noch schwer schlucken. Die Bilder verblassen wie die alten Kopien von Briefen und Akten, die er bis heute aufgehoben hat. Aber sie gehen nicht weg. "Wir wussten von diesem Moment an, dass wir keinen vermissten Jungen suchen, sondern einen Mörder", sagt der 76-Jährige. Zugleich ist dem erfahrenen Kriminalisten klar, dass die Ermittlungen jetzt Anhaltspunkte haben: Da ist der Koffer aus Hartpappe, da sind drei Plastiksäcke, da eine sechs Millimeter starke Schnur, vor allem aber sind das zerknüllte Zeitungen und Zeitschriften, darunter zwei Exemplare der "Freiheit", Ausgabe Halle-Neustadt. Und in diesen Zeitungen sechs ausgefüllte Kreuzworträtsel.

 "Damit waren wir nicht mehr auf den Zufall angewiesen", sagt Schwarz, dessen Interesse sich sofort auf die Kreuzworträtsel richtet. Natürlich, die Sonderkommission prüft penibel jeden Gegenstand, den sie im Koffer findet. Doch weder das Etikett einer Plastiktüte noch die Bodenproben aus den Stiefeln des Opfers noch ein Gutachten zur Schnur führen weiter. "Es war absehbar, dass wir den Schriftenverursacher aus den Kreuzworträtseln finden mussten", sagt Schwarz. Doch sein Vorschlag, Schriftproben in der Zeitung abzudrucken oder den gefunden Koffer mit einer Beschreibung der Tat öffentlich auszustellen, um dem Täter mit Hilfe der Bevölkerung auf die Spur zu kommen, wird abgelehnt. Der Koffer wird zwar in einem Schaufenster nahe des vermuteten Tatortes gezeigt. Aber nur mit dem Hinweis, er spiele eine Rolle bei einem schweren Verbrechen. "Darauf springt keiner an."

Bleibt den Ermittlern um Schwarz und seinen Stellvertreter Manfred Löser nur die mühsame Tour. Über Preisausschreiben und aus dem Altpapier, vom Amt für Arbeit und der Deutschen Post, aus Kaderakten und Autoanmeldungen besorgt sich die um zahlreiche Mitarbeiter erweitere Mordkommission mehr als 550 000 Schriftproben, die mit den recht prägnanten Buchstaben in den verdächtigen Kreuzworträtseln verglichen werden. "Es war offensichtlich, dass uns Aufwand und Mühe irgendwann zum Täter führen mussten", beschreibt Siegfried Schwarz, "aber niemand ahnte, wie viel Aufwand und Mühe wir am Ende wirklich brauchen würden." Siegfried Schwarz weiß, dass in jedem Fall, der nicht nach ein, zwei Tagen gelöst ist, der Zeitpunkt kommt, an dem man zu zweifeln beginnt. Hat man etwas übersehen? Ist man zu nah dran? Doch dass er, der junge Polizist, überhaupt bei der Mordkommission gelandet ist, hat mit einem Fahnder zu tun, der genau solche Zweifel nicht zu kennen schien. "Ich war noch ein ganz junger Kriminalist in Merseburg", sagt Schwarz, "und dieser erfahrene Kollege kam in einem Fall von Totschlag aus Halle: Ledermantel, Seidenschal, souverän, ruhig, selbstbewusst, ein Künstler im Vernehmungszimmer und ein Menschenkenner, der genau wusste, was er tat."

Die Männer von Schwarz´ MUK sind nicht anders. Zwischen 98 und 99 Prozent liegt ihre Aufklärungsquote, immer wieder werden sie auch in andere Bezirke geholt, um dort Gewaltverbrechen aufzuklären. "Ich habe der Mutter von Lars versprochen, dass wir den Mörder ihres Sohnes kriegen", sagt er, "und ich war überzeugt, dass wir das schaffen." Selbst als der Sommer kommt, ohne dass ein passender Schriftvergleich auftaucht. Selbst als die Ausweitung der Suche bis in die großen Chemiewerke keinen Durchbruch bringt. Selbst als Schwarz nach Dessau gerufen wird, um Licht in das Verschwinden des kleinen Maik zu bringen. Die Ausgangslage dort ist ganz anders. Der Siebenjährige ist schon mehrmals von zu haue fortgelaufen, allerdings immer schnell wiedergefunden worden. Nur diesmal vernehmen die Kriminalisten vergebens reihenweise zeugen im Waldbad "Freundschaft" und im Wohnumfeld des Jungen. "Der See wurde abgetaucht, eine Schrebergartenanlage abgesucht - nichts" erinnert sich Siegfried Schwarz. Drei Dutzend Mitarbeiter suchen derweil unter Leitung von Schwarz´ Stellvertreter Manfred Löser in Halle weiter nach dem Kreuzworträtsel-Mörder.

Nächtelang sitzen die Fahnder zusammen und versuchen, ein Profil des Täters zu erstellen: Er ist männlich, schließen sie aus der Art der Verletzungen. Er hat kein Auto und musste deshalb den Zug benutzen. Er verfügt über eine Wohnung in Halle-Neustadt, in der er die Tat begehen konnte. Doch näher kommt die Soko in Halle ihrem Mann sowenig wie Siegfried Schwarz der Lösung seines Falles in Dessau. Bis einer der Schriftprobenprüfer in Halle seinen Augen nicht traut. Es ist der 17. November 1981, genau zehn Monate sind seit dem Verschwinden von Lars B. vergangen. Und hier ist sie nun, eine Schriftprobe mit mittelgroßen Buchstaben, sehr gewandt ausgeführt, das A einprägsam "in der gotischen Form dreizügig geschrieben", wie ein Sachverständiger festgestellt hatte. Die identische Vergleichsprobe stammt von einer Mieterin im Halle-Neustädter Wohnblock 398. Sie war all die Monate nicht entdeckt worden, weil sie an der Ostsee arbeitete.

 Eine Frau aber, da waren die Profiler der Polizei sicher , kommt als Täter nicht infrage, auch wenn sie schon bei der ersten Befragung zugibt, die Kreuzworträtsel ausgefüllt zu haben. Aber ihrer Tochter kommt der Koffer bekannt vor. Und ja, sagt sie, sie habe einen Freund. Der ist 18, heißt Matthias und, das ist ihr peinlich, er bitte sie beim Sex manchmal, ihm von kleinen Jungen zu erzählen. Die Männer von der Sonderkommission Lars wissen sofort, dass das ihr Mann sein muss. Sofort fahren Fahnder nach Friedrichroda, wo B. in einem Ferienheim arbeitet. Um 14 Uhr beginnt die Vernehmung des Verdächtigen, um 4.30 Uhr hat er gestanden. Er habe an jenem Januar auf Arbeit blaugemacht, den Jungen zufällig in der Stadt gesehen, aus einer Laune heraus angesprochen und in die Wohnung der Mutter seiner Freundin gelockt, von der er wusste, dass sie leer steht. Dort habe er Lars erst missbraucht und dann getötet.

"Ich überlegte mir, dass der Junge zu Hause alles erzählen kann, was ich mit ihm gemacht habe." Siegfried Schwarz; Manfred Löser und ihre Männer sind am Ziel. Sie haben ihn. Die Jagd ist beendet, Erleichterung kehrt ein. "Auch wenn da ein Häufchen Unglück sitzt, dem man die Tat weder ansieht noch zutraut." Es ist Schwarz´ Sternstunde als Kriminalist, später in Büchern besungen, verfilmt und heute längst eine Legende. Doch es ist nicht der Fall, an den der Fahnder, heute längst im Ruhestand , am häufigsten denkt. Nein, sagt er. "Das ist der Fall Maik T." Auch nach 30 Jahren ist nie eine Leiche des Siebenjährigen aufgetaucht. Die Vermisstensache steht immer noch als ungelöst in den Akten

Freitag, 25. Januar 2013

Verloren im Empire

Wie viele Nackenschläge kann eine Band vertragen? Wie viele dumme Zufälle können sich zwischen den großen Erfolg und die Knochentour durch kleine Säle stellen? Tim Brownlow, Bassist Duff Battye und Drummer Bill Cartledge wären geeignete Kandidaten für eine brauchbare Antwort. Die drei Engländer, die vor elf Jahren die Band Belasco gründeten, hatten auf dem langen Weg seitdem alles, was das Rock-Leben bietet: grandiose Alben und schlechte Verträge, Auftritte in angesagten Hollywood-Filmen und Gastspiele auf verregneten Kleinstadt-Festivals. Offenbar eine Mischung, die zu gesteigerter musikalischer Überzeugungskraft führt. Denn "Transmuting", Album Nummer vier seit dem famosen Debüt "Simplicity", zeigt das Trio auf einem neuen Höhepunkt: Elf Songs spannen den Bogen vom muskulösen Alternativ-Rock bis zu fein ziselierten Balladen wie sie Coldplay oder Snow Patrol nicht schöner hinbekämen. War das Vorgängeralbum "61" noch geprägt von geraden, flotten Stücken wie "On The Wire" und ehrgeizigen Hymnen wie "The Earth", ergänzen sich die Teile im neuen Werk zu einem perfekten Bild. Gitarre, Bass und Schlagzeug spielen mit unglaublicher Dynamik zusammen, Tim Brownlow singt sich die Seele aus dem Leib und die stürmischen Melodien von Stücken wie "Moves Like Water" oder "Home" setzen sich schon mit dem ersten Hören unwiderstehlich im Ohr fest. Es ist beileibe kein fröhliches Album, das die drei Mittdreißiger da mit Richie Kayan (Oasis, Supergrass) in den Chapel-Studios in Lincolnshire eingespielt haben. Es geht um Enttäuschungen, um verlorene Liebesmüh' und um das Gefühl, verloren zu sein in einer Welt, die sich immer schneller dreht. Das sechs Minuten lange "Empire" beginnt wie vor zehn Jahren das erfolgreichste Belasco-Stück "15 Seconds" mit einem pumpenden Gitarrenriff und steigert sich ganz allmählich in einen Wirbel aus Akkorden, Rhythmen und Bassläufen, wie sie im aktuellen Rock-Geschäft nur Duff Battye spielen kann. Geht es in diesem Mammutstück fast schon in Richtung Led Zeppelin, schleicht sich das folgende "Who do you love" auf Samtpfötchen an wie ein Lied von Mumford & Sons. Nur dass Tim Brownlow besser singt als sein angesagter Landsmann Marcus Mumford. Noch besser ist das zu hören, wenn sie die Lautstärke dimmen und aus dem Tempo-Rock von "Open up" und "Home" ins Akustische schwenken. "Rosa" zeigt einen Tim Brownlow, der zu einer scheppernden E-Gitarre ironisch den Billy Bragg macht: Rosa ist die Chefin, aber das ist völlig okay. Brownlow, Battye und Cartledge, die vor einigen Jahren Geld spendeten, um die Abraumhalde von Klobikau im Saalekreis begrünen zu helfen, sind nicht mehr unterwegs, um Coldplay vom Thron zu stoßen oder Muse zu beerben. "Time is running out", stellt Brownlow in "What it is" fest, klingt aber gar nicht traurig dabei. Alle drei bei Belasco haben Frauen, Kinder und machen Musik, nicht weil die Plattenfirma auf das nächste Album drängt - sondern aus Freude daran, sie machen zu können.

Freitag, 21. Dezember 2012

Große sind manchmal so doof

Sie gehören zu den letzten Kindern der DDR und zur ersten gesamtdeutschen Generation - Fünf Neunjährige erzählten von Wünschen, Träumen und Hoffnungen - das war vor 15 Jahren. Was die Jungs wohl heute machen?

An der Wand vom Kinderzimmer hängt das Prinzen-Poster neben dem von Wrestling-Kämpfer Tatanka. Ihre Sportidole heißen Klinsmann und Kahn, ihr liebster Filmheld ist Schwarzenegger. Gelacht wird zu Otto und dem Komiker Mr. Bean. "Und den Hulk dürfen wir nicht vergessen", meint Sebastian. Hulk ist ein Superheld, der grün und riesig wird, wenn man ihn reizt. Sowas gefällt nicht jedem. "Weil, Hulk ist blöd."

 Marcus und Marian; Stefan, Sebastian und Benjamin sind neun Jahre alt. Sie sind nicht mehr richtig klein, aber noch lange nicht richtig groß. Schule finden sie "nervig, aber man lernt was", Mädchen nennen sie abfällig "Weiber", weil "die immer nur knutschen wollen". In Sachen Sex macht ihnen keiner mehr was vor, seit sie das Thema in Heimatkunde hatten: "Hier ein Glied und da ein Glied", beschreibt Stefan das große Mysterium zwischen Mann und Frau, "und dann jupps." Sie können sich durchaus noch Spannenderes vorstellen.

 Die letzten Kinder der alten DDR sind zugleich auch die erste gesamtdeutsche Generation - geboren Mitte der 80er Jahre, haben sie kaum noch Erinnerungen an die alte Zeit. Vati kam damals immer spät nach Hause, erinnert sich einer. Und man konnte nicht hinfahren, wo man wollte, glaubt ein anderer. Schwer vorzustellen. In Deutschland geboren Heute, fünf Jahre nach der Stunde Null, glauben die Jungen fest daran, in "Deutschland" geboren zu sein. Im Sommer fahren sie mit ihren Eltern zum Urlaub nach Mallorca, in die Türkei oder nach Tunesien. Sie kommen zurück und verstehen nicht, "weshalb solche Asis und Neonazis was gegen Ausländer haben".

"Asi" ist quasi das Gegenteil von Held. Asis, sagt Stefan, seien "Typen mit Glatze, die saufen und keine Ahnung haben". Keine Ahnung zum Beispiel, daß Türken nett sind. Und Tschechen auch. Sie wissen das. Als wäre es nie anders gewesen, wachsen die heute Neunjährigen in den westlichen Wohlstand hinein. Fast jede Familie hat ein Auto, fast jede besitzt Computer, Videorecorder, CD-Player. Und sie können sie bedienen. Sie sind, was Marketing-Experten "Kids" nennen: selbstbewußt wie Große und zapplig wie Kleine, die Köpfe voller Werbesprüche, Markennamen und Fußballergebnisse. Sie haben feste Vorstellungen davon, wie sie später mal leben wollen. Sebastian wird Magier werden, Marian Schauspieler oder Zeichentrickzeichner. Benny orientiert sich mehr in Richtung Stuntman. Stefan und Marcus erwägen eine Karriere als Fußballer oder bei der Feuerwehr. Später werden sie sich alle einen Lamborghini kaufen. Oder einen Porsche.

 In vielen Dingen kennen sie sich heute schon besser aus als ihre Eltern. Sie wissen, welche Rückennummer Klinsmann trägt, wieviel Millionen Matthäus wert ist und daß die Einheit "PS" bei Automotoren angibt, "wie schnell der Schlitten rasen kann". Lädt man sie zum Eis ein, bestellen sie den größten Becher. Und wenn der nicht gleich kommt, fallen spitze Bemerkungen über "schlechten Service". Aber so laut, daß es die Kellnerin hört. Disney kommt ihnen nicht mehr ins Haus. "Nöö, Duck ist schnulz", sind die fünf Jungen sich einig. Als "total affig" gelten auch Schlümpfe und Mickey Mouse. Babyhaft. Kinderkram.

Was Erwachsene pädagogisch wertvoll und lobenswert gewaltfrei finden, hält die Zielgruppe für langweilig. "Richtig gute Filme müssen mit action sein", meint Benjamin, "sonst ist einfach keine Spannung dabei." Als beispielhaft gelten Serien wie "Captain Planet" oder "Batman". "Blöd ist bloß", ärgert sich Sebastian, "daß am Ende immer die Guten gewinnen." Auch Benny leidet daran: "In echt gewinnen ja auch manchmal die Bösen", weiß er aus der Tagesschau. Alle nicken. Würden einmal die Bösen siegen, das wäre was. Hoho! "Man könnte dann eine neue Folge machen und dann würden die Schufte echt vernichtet." Mit der von Erwachsenen mißtrauisch beäugten Gewalt n den Comic-Strips haben die Kids keine Probleme. Trotzdem kommen die X-Men, bisher Pflichttermin an jedem Samstag, einfach nicht mehr.

Die Absetzung der Serie wegen "jugendgefährdender Gewalt" trifft auf harte Proteste. "Da müssen die Eltern ihre Kinder eben belehren, daß es nur Trickfilm ist", schlägt Marian vor. Außerdem gebe es doch in jeder Nachrichtensendung "tausendmal mehr Krieg und Gekloppe" zu sehen. Glücklicherweise vergessen Kinder schnell. Längst sind an die Stelle der X-Men neue Superhelden getreten. Und mit neun sieht man echte Action ja sowieso viel lieber als Zeichentrick. Kids haben auch ihre Geheimnisse: "Wenn ich manchmal am Wochenende bei meinem Freund schlafe", beichtet einer, "gucken wir Horrorfilme und sowas." Er sagt "Horro". Den Gruselschocker "Es" nennt einer der anderen als "echten Klassefilm". Oder "Total Recall" mit Schwarzenegger. Bei dem ist Marian mal eingeschlafen. Nur das erzählt er jetzt lieber nicht.

 Viel bedeutet es ihnen, "cool" zu sein. Wichtig sind die Klamotten. "Du brauchst eine Sonnenbrille, orange Schlaghosen und ein Whitboy-Shirt", beschreibt Benjamin. Die Jacke drüber sollte möglichst lang sein und das Basecap muß verkehrt herum getragen werden. Erwachsene haben davon wenig Ahnung: "Ich sage, was ich haben will, und Mutti kauft dann." Doch Kind sein Mitte der neunziger Jahre ist nicht so leicht, wie die Erwachsenen glauben. Eine riesige Reklamemaschine ist rund um die Uhr damit beschäftigt, den Kindern neue Wünsche und Sehnsüchte einzuimpfen. Videospiele und Trickfilmfiguren, Fernsteuerautos und Borussia-Dortmund-Dresse. "Manchmal weiß ich gar nicht mehr, was ich eigentlich will", stöhnt Benny.

Eine Klage, in die alle einstimmen. Das Taschengeld reicht hinten und vorn nicht, verdient man sich mühsam etwas dazu, ist "die Kohle viel zu schade zum Ausgeben". Die Versuchung ist riesig. Im Supermarkt lange Finger gemacht haben alle schon mal. Tapfer bekennen sie ihre Taten: "Tätowierbilder von Ketchupflaschen gezogen" und "Mickey-Aufkleber von Jogurts eingesteckt". Einer von ihnen hat sogar mal versucht, eine X-Men-Figur mitgehen zu lassen. Sie haben ihn prompt erwischt. "Das war fürchterlich", gesteht er zerknirscht, "ich bereue heute noch." Nie mehr werde er klauen.

Doch auch in dieser Beziehung macht der Jahrgang "85 andere Erfahrungen als alle anderen zuvor. Der Stärkere bekommt, was er will - wie im Zeichentrick. Den Sebastian haben sie mal verprügelt und zehn Mark geklaut, Stefan wurde in eine Falle gelockt, weil größere Jungs sein Basecap haben wollte, und Marian ist auch schon von einer Clique Älterer überfallen worden. "Dagegen", finden sie, "sollte die Polizei mal was machen - die einsperren, die Verbrecher." Für einen mit neun Jahren, einsfünfzig hoch und Größe 37 an den Füßen, ist die Welt noch ganz einfach zu regieren. Hier die Bösen, da die Guten - ein großer Comic. Sie selbst sind natürlich die Guten. Batman und Robin oder Captain Planets Planetenteam, das auszieht, die Erde zu retten. Hätten sie etwas zu sagen,ihre Methoden wären so radikal wie die ihrer Vorbilder: Wer den Krieg in Jugoslawien angefangen hat, gehört "abgeknallt", bestimmt Mari. Wer die Umwelt verschmutzt, kräht Stefan, müsse in den Knast. Lebenslang, versteht sich. "Und auch wer Papier auf die Straße schmeißt, sollte bestraft werden", schlägt Sebastian vor. Am besten mit einem Jahr Straße kehren.

Warum die Regierung, von der sie bloß den "dicken Kohl" kennen, nicht mal was unternimmt gegen Umweltverschmutzung, ist ihnen ein Rätsel. "Ich sehe nicht, daß die sich kümmern", urteilt Sebastian, "aber vielleicht liegt das daran, daß die nur Macht wollen und nicht umweltfreundlich sind." Schließlich fahren Politiker, man sieht das ja in den Nachrichten, die größten Autos. Und Autos, das gilt als sicher, machen den Wald kaputt. "Ohne Wald", ist sich Benny sicher, "haben wir später keine Luft mehr zum Atmen." Eigentlich eine Sauerei. Aber daß trotzdem alle Erwachsenen Auto fahren, wundert keinen: "Manchmal sind die Großen eben schrecklich doof."

Die fünf Kleinen haben deshalb einen "Umweltklub" gegründet. Mit ihren Fahrräder kurven sie nachmittags durch den Park hinter ihrem Viertel, und versuchen wie das ruhelos um die Erde düsende Planetenteam, die Umwelt zu retten. Ein bißchen wenigstens. "Papier auflesen, Nägel aus Bäumen popeln und so." Mit neun hat man noch große Träume, allerdings auch schon eine kleine Ahnung vom richtigen Leben: "Fliegen", das wollen sie doch festgehalten wissen, "können wir natürlich nicht."

Dienstag, 11. Dezember 2012

Der gute Mensch von Köpenick



Es hätte alles ganz anders kommen können. Dann säße er jetzt da unten im Saal und hätte die von harter Mechanikerarbeit rauhen Fäuste mit den Ölspuren unter den breiten Nägeln in den Schoß gelegt. Solche Gedankenspiele macht Frank Schöbel manchmal. "Ich bin ja gelernter Mechaniker", erinnert er sich dann, "ich kann mir das gut vorstellen." Auch, daß er dann vielleicht arbeitslos wäre. Oder Versicherungen verkaufen müßte. Bei "Stony", seinem Lieblingslied, in dem es heißt "sie kämpfte gern/auch wenn sie nicht gewann", würde Frank Schöbel wahrscheinlich klatschen.

 Bei "Wie ein Stern" nicht. Das hat er sich mit den Jahren irgendwie überhört. An den Tag, an dem alles anfing, erinnert sich Frank Schöbel noch ganz genau. Da muß er eine Sekunde überlegen. Achte Klasse war das, Deutschstunde. "Ich saß letzte Bank Mittelreihe neben meinem besten Freund Otto, wir sangen ,Oh Sindy, Sindy, oh sind die denn ganz verrückt" und beschlossen, Schlagersänger zu werden", kichert er. Die Lehrerin sei so "eine fürchterlich Kleene" gewesen. "Die hat zwar immer geguckt, wer das ist, aber erwischt hat sie uns nie." Frank Schöbel ist ein fröhlicher Mensch. Erzählt er Schnurren, und er erzählt andauernd welche, strahlen die blauen Augen unter dem naturkrausen Pony wie zwei kleine Scheinwerfer. Der Otto, sagt er betrübt, und die Scheinwerfer gehen aus, der Otto ist dann später verschütt gegangen.

Frank Schöbel wurde berühmt. Rein statistisch betrachtet ist Superstar Michael Jackson gar nichts gegen ihn. Keiner seiner Hits war weniger als Platz 1, keines der zwanzig Schöbel-Alben ging weniger als 100 000 Mal über den Ladentisch. Das "85er Werk "Weihnachten in Familie" stellte mit 1,3 Millionen verkauften Exemplaren einen für alle Zeiten unerreicht bleibenden Rekord auf: Keine andere Schallplatte steht in so vielen ostdeutschen Haushalten. In seinen 28 Jahren als erfolgreichster Unterhaltungskünstler der DDR drehte Frank Schöbel Filme und er moderierte Radiosendungen, er hatte seine eigene Fernsehshow, bekam Preise im In- und Ausland und durfte Konzerte auch außerhalb der Landesgrenzen geben.

Heute fragen ihn leider immer noch alle zuerst danach. Wie er die Wende verkraftet hat und ob es schwer war, den Kopf oben zu behalten. Anfangs hat Schöbel sogar mitgespielt. Er hat den Zeitungen traurige Geschichten vom Tiefpunkt seiner Karriere erzählt. Wie er mal beim Lamadeckenverkauf gesungen hat. Und wie er auf einen schrecklich gutriechenden Manager aus dem Westen reinfiel. Und dann auch noch diesen Plattenheinis aus Köln und Hamburg seinen Namen buchstabieren mußte. Eszehha-Ö-B-E-L.

Es hat nicht mal viel geholfen. Die erste Wut über die "Nichtachtung", die ostdeutschen Künstlern wie ihm nach 1989 bei westlichen Plattenfirmen, bei Sendern und Magazinen entgegenschlug, hat er inzwischen runtergeschluckt. Jetzt könne er das einordnen: "Früher waren wir Exoten, heute sind wir Konkurrenten." Schöbel weiß, was man mit Konkurrenten macht. "Nur nicht hochkommen lassen." Das sei nun mal die Marktwirtschaft. "Und die haben wir ja nun jetzt." Er selber ist nicht so. "War er nie", sagt Aurora Lacasa, die Frau mit der Gänsehautstimme, mit der Frank Schöbel seit zwanzig Jahren zusammenlebt. In einem Geschäft, in dem Erfolg in erster Linie Leute mit Talent zum Einsatz der Ellenbogen haben, mutet der nette Mann mit dem faltenlosen Jungsgesicht an wie ein seltsames Unikum.

Als auch der letzte nebenberuflich tätige deutsch-demokratische Freizeitentertainer sich im "Volvo" kutschieren ließ, fuhr Schöbel weiter "Wartburg". Bis zum Ende der DDR lebte er im zehnten Stock eines Hochhauses in Köpenick und ging Samstagnachmittag in die Wuhlheide, Eisern Union anfeuern. Und immer hat er gelacht, immer war er lieb und freundlich. Nie, so scheint es, wird diesem Mann der Kragen platzen. "Alsich ihn kennenlernte, fand ich das schon ein bißchen verrückt", gesteht Aurora Lacasa, "ich fragte mich: Wie kann jemand allen Leuten immer so offen gegenübertreten?" Frank Schöbel, der vor ein paar Tagen 52 Jahre alt wurde und wieder nicht gefeiert hat, muß.

Der gute Mensch von Köpenick kann nicht anders, auch wenn er bisweilen will. Aufgewachsen ohne den Vater, der den Krieg nur überlebte, um anschließend in einem russischen Kriegsgefangenenlager zu erfrieren, ist der nach außen stets fröhliche Sonnyboy des DDR-Schlager mehr als einmal ins offene Messer gelaufen. Die Traumehe mit Chris Doerk ging kaputt, Schöbel durfte den gemeinsamen Sohn kaum sehen und auch der Versuch, Alexander mit der Kinderplatte "Komm, wir malen eine Sonne" zurückzugewinnen, scheiterte. Doch Schöbel glaubt störrisch an das Gute im Menschen. Bei den meisten hatte er Recht damit. "Und bei den anderen sag" ich mir dann selber, Junge, denk nicht schlecht. Gib ihnen einfach eine Chance." Wenn ihn einer in der Kaufhalle erkennt, kriegt er also auch sein Autogramm.

Wenn sie am Nebentisch in der Kneipe wetten, ob der Typ da drüben wirklich der echte Schöbel ist, gibt er es gern zu. Und wenn eine Zeitung anklingelt, mit der er "schlechte Erfahrungen" gemacht hat, nimmt er sich zwar jedesmal fest vor, bloß "Bitte rufen Sie die Auskunft an" zu näseln. Er macht es nie. Manchmal wünscht sich Frank Schöbel ein "Freundlichkeitsspray, damit die Leute nicht alle so mufflig sind". Aber nur manchmal. Er versucht, sagt er, dankbar zu sein. Nur dieses "vor der Wende war er da, und nach der Wende war er weg" ärgert ihn. Die Stirn umwölkt sich, die blassen Lippen werden schmal.

Nach 1989 hat Schöbel lange Zeit gar keine Musik gemacht. "Ich habe die Zeitung abbestellt, das Studio zugeschlossen und Holz gehackt." Draußen tobte die Geschichte, drinnen tobten die Selbstzweifel. "Haben wir schlechte Lieder gemacht? Hätte ich etwa auch weglaufen sollen?" Aurora, die schmale, schöne Frau, die Frank nur sein "Mädel" nennt, hat in dieser Zeit oft mit ihm geschimpft."Wie lange willst du dich denn noch beleidigen lassen." Wäre es nach Aurora gegangen, hätten die Schöbels gepackt. Aber einer wie er geht nicht. Schon zu DDR-Zeiten kam das nicht infrage, weil "ein Pfarrer seine Gemeinde schließlich auch nicht sitzenläßt." Natürlich ist dabei auch ein bißchen Koketterie. Frank Schöbel, den die Leute seiner Generation auch heute noch "Frankie-Boy" nennen, als wäre die Zeit ungefähr zur 74er Fußball-WM stehengeblieben, braucht seinen Kiez, seine Leute.

In Spanien, sagt er, kenne er doch außer Auroras Verwandten keinen Menschen. Was soll er da. "Meine Leute hier", weiß er ganz genau, "haben mich nie hängenlassen". Immer sind Briefe gekommen, in denen sie ihm geschrieben haben "Frank, laß dich nicht unterbuttern, Frank, wir halten zu dir". Hunderte Briefe. Das verpflichtet. Schöbel, der zugibt, nie politisch gewesen zu sein, hat sich im 32. Jahr seiner Laufbahn eine neue Rolle gesucht. "Ich bin ein vorgeschobener Posten", beschreibt er seine Motivation, es noch einmal zu packen, "wenn ich"s schaffe, schaffe ich"s auch für die."

 Sich selbst müßte er lange nichts mehr beweisen. Mit seiner großen Liebe Aurora und den Töchtern Odette und Dominique lebt Frank Schöbel "an der oberen Grenze des Glücklichseins". Zufrieden. Keine Wünsche. Nur ganz hinten im Kopf puckert er noch, der Traum vom Hit, der Traum von der Rückkehr ins große Rampenlicht. Schöbel kämpft gern, auch wenn er nicht gewinnt, und er arbeitet immer noch härter als andere. Zuerst die Fortsetzung von "Weihnachten in Familie", die sich in ein paar Wochen mehr als 40 000 Mal verkaufte. Danach die Weihnachts-Tour, die fast durchweg ausverkauft war. Und im Frühjahr eine richtige Platte. Die macht Frank Schöbel wieder bei einer großen Firma. "Dann muß ich nur noch einen Hit haben und bin sofort wieder da." So einfach ist das. Und so schwer

Dienstag, 27. November 2012

Nicht noch ein Kreuzfahrt-Roman


In „Tod auf der Donau" wagt der Slowake Michal Hvorecky den dreifachen Spagat zwischen Krimi, Groteske und Reiseroman


In „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich" hat David Foster Wallace schließlich alles geschrieben, was über die Kreuzfahrer von heute zu sagen war. Allerdings eben nicht so, wie es der Slowake Michal Hvorecky in seinem dritten Roman „Tod auf der Donau" tut. Der schwarze Humor ist hier in Galle getränkt, denn der Albtraum wird nicht wie bei Foster von einem Beobachter, sondern von einem Mittäter erzählt. Der heißt Martin Roy, ist diplomierter Übersetzer aus Bratislava, aber mittellos genug, sich als Tour-Direktor bei einer Kreuzfahrtgesellschaft zu verdingen. Deren Kunden rekrutieren sichunter alten, mehr oder weniger gebrechlichen Amerikanern, denen Roy in seiner dritten Saison etwa noch so viel Respekt entgegenbringt wie ein Hund seinem Haufen.


Alle sind sie dick. Alle sind sie dumm. Immer fragen sie, wer dieser Mozart gewesen ist. Und immer loben sie, dass Regensburg fast so schön sei wie Frankfort/Kentucky. Roy ist ein Diener, der in seiner Rolle aufgeht. Zumindest, bis seine Jugendfreundin Mona unerwartet an Bord auftaucht. Das Buch, für das Hvorecky mit dem „Grenzgänger"-Stipendium auf Donau-Schiffen recherchieren konnte, kippt nun von der Urlaubssatire Marke „Hummeldumm" zur Persiflage auf den Klassiker „Tod auf dem Nil". Geldkoffer tauchen auf, Leichen liegen herum, die Situation droht außer Kontrolle zu geraten.

Sie täte es, wären da nicht die langen, ruhigen Passagen, in denen der 1976 in Bratislava geborene Autor in die Geschichte des Flusses führt, auf dem der „America" getaufte Luxusliner mit seinen 120 Passagieren dahin schippert. Michal Hvorecky liebt den Wasserlauf, in dem sich seine österreichische Kollegin Brigitte Schwaiger vor zwei Jahren das Leben nahm. Wo er sonst zynisch ist, schwelgt er plötzlich, wo er anklagt und auch gleich aburteilt, erwägt er nun und sinniert. So ist es ein gleich dreifacher Spagat, der hier vorgeführt wird. Einerseits ist da der Reiseroman, angereichert mit Momenten einer Beziehungsgeschichte. Andererseits schreibt Hrovecky einen Krimi. Drittens schließlich wird aus dem Reigen der vorüberziehenden Porträts von Passagieren, Kapitänen und Flussanwohnern eine „Doku-Postkarte im Breitwandformat" als die Foster Wallaces Buch einst gelobt wurde.

Die „America" treibt durch Österreich, durch Ungarn, an Bulgarien und Rumänien vorbei. Langsam wird klar, dass alle an Bord Gefangene des Flusses sind – die Touristen, die viel Geld dafür bezahlen, aus ihren Kabinen auf die Ufer starrenzudürfen. Aber auch die Angestellten, die der Zusammenbruch der Wirtschaft in ihren Heimatländern treibt, im Zwischendeck Wäsche zu bügeln, vor Kunstbanausen Strauss zu spielen und hanebüchene Fragen nachdem Barock so zu beantworten: „Das war eine politische Diktatur, das wollen Sie in Amerika nicht haben."

Da nickt der Kreuzfahrer. „Genau, was wir jetzt brauchen ist eine gute Wirtschaftslage!" Der Schiffsdirektor aber lächelt nicht einmal mehr innerlich. Zusehends verlieren Besatzung und Passagiere den Kontakt zur Wirklichkeit. Natürlich, es ist viel luxuriöser hier als auf B. Travens „Totenschiff". Cocktails werden gereicht, pünktlich fahren Busse vor, um die längst völlig desorientierten Amerikaner in Kirchen und zu Märkten fahren. Doch der der Untergang ist nahe. Der Kapitän betrinkt sich, das Wasser wechselt die Farbe von Grau zu Braun und dann zu Schwarz. Am Ufer grasen klapperdürre Ponys. In der Nacht bricht ein Brand aus, am Morgen ist keine Spur mehr da von der „America". Roy flüchtet ins Kloster, bis seine Mona sich meldet. Viel, viel später gibt es ein Happy End. Aber kein glückliches.

Dienstag, 20. November 2012

Drumherum ein Vakuum

Mit fiel gerade ein, dass die Frankfurter Rundschau im Sommer zumindest einige Auszüge aus meinem Nachruf an die Glühbirne
veröffentlicht hatte. Für Freunde warmer Elektro-Lampen wird es zappenduster. Der Einzelhandel darf die Glühbirne ab Freitag nicht mehr ordern. Das Licht, das hundert Jahre Industrialisierung und Globalisierung beleuchtet hat, verlischt. Das Ende kommt schleichend, ein lange angekündigter Tod, dem vier Jahre schweres Siechtum vorausgingen. Noch zwei Tage, dann ist es vorüber, dann endet zumindest in Europa eine Ära: Die Glühbirne, 1911 von der US-Firma General Electric erstmals in der noch heute verwendeten Form mit Glühdrähten aus Wolfram produziert, verlischt auf dem ganzen Kontinent. Das Licht, das hundert Jahre Industrialisierung und Globalisierung beleuchtet hat, verlischt. Zumindest für Freunde warmer Elektro-Lampen wird es zappenduster. Denn der Nachfolger der guten alten Glühbirne, deren Grab treu sorgende EU-Experten im Jahr 2005 mit der Ökodesign-Richtlinie zu schaufeln begonnen hatten, wird ein Hochleistungssportler der Energieeffizienz sein. Die umgangssprachlich Energiesparlampe genannte Kompaktleuchtstofflampe schafft es dank einer kleinen Gasentladungsröhre, in der sich Quecksilber und Argon befinden, und eines raffinierten elektronischen Vorschaltgeräts samt Resonanzwandler die Netzwechselspannung gleichzurichten, sie anschließend in eine Wechselspannung höherer Frequenz umzuwandeln und mit dieser über eine Ferritkern-Drossel mit zwei Schalttransistoren zum Lampenstromkreis zu leiten, wo sie nach kurzer Anlaufzeit ein diskontinuierliches Spektrum an überaus sauber wirkendem Licht erzeugt. Drumherum ein Vakuum Entschuldigung, die Lampe der Zukunft ist nicht so leicht zu verstehen wie ihr Großvater, den seinerzeit kurz nacheinander ein Schotte, ein Franzose, zwei Amerikaner, ein Russe und ein Deutscher erfunden hatten. Da war noch alles einfach: Zwei Pole, ein Draht, der beim Briten Joseph Wilson Swan anfangs auch ein Stück verkohltes Papier sein durfte. Drumherum ein Vakuum – und schon glühte sie, die Birne, die elektrisches Licht erschuf, indem sie ständig am Rande des Kurzschlusses vor sich hin brannte. Lichtquellen« zurück 1 | 3 weiter » Als Alternativen zur alten Glühbirne auf dem Markt sind Energiesparlampen, Halogenlampen und Licht emittierende Dioden, kurz LED. Ihnen gemeinsam ist, dass sie im Vergleich zur Glühbirne teurer sind, dafür aber größere Anteile der eingesetzten Energie in Licht umwandeln und länger halten. Die Sparlampe ist nicht sonderlich bliebt. Sie enthält hochgiftiges Quecksilber – wenn auch in geringen Mengen. Bisher sind 3,5 Milligramm pro Lampe zugelassen, von 2013 an sinkt der Grenzwert auf 2,5 Milligramm. Das entspricht einer Menge, wie sie in drei Kilo Thunfisch enthalten ist. Die Zukunft gehört den LED. Noch liegen Preise mit zehn bis 85 Euro für Glühbirnen-vergleichbare Lichtstärken zwar sehr hoch, sie sind in den vergangenen Jahren aber bereits erheblich gefallen und werden es weiter tun. Zudem sind sie mit einem Wirkungsgrad von 25 Prozent sehr effizient. Die Glühbirne war immer dabei. Sie erleuchtete die „Titanic“ in der Nacht ihres Untergangs. Sie setzte Josephine Baker ins Licht, als die in den 20er-Jahren in Paris den Charleston tanzte. Sie ließ Filipo Tommaso Marinetti, den Verfasser des Futuristischen Manifests, gestehen: „Ich bete jeden Abend zu meiner Glühbirne, denn in ihr haust eine ungeheure Geschwindigkeit.“ Sie strahlte 1951 in Idaho, als der erste Atomstrom aus dem ersten Kernreaktor der Welt kam. Sie leuchtete in Stalins Büro und in Hitlers Bunker, erhellte die Apollo 8 auf dem Weg zum Mond und Jacques Cousteaus Tauchboot SP-300 auf dem Weg zum Meeresgrund. Ein Fanal aus Glas und Blech, das über den Fließbändern hing, an denen Henry Ford Autos bauen ließ, und an der Decke baumelte, als Günther Krause und Wolfgang Schäuble den Einigungsvertrag unterschrieben. Abschied von der Glühbirne Bildergalerie ( 13 Bilder )Durchklicken Abschied von der Glühbirne[ Schließen ] Bald wird sie verschwinden, erst aus dem Regal, dann aus unserem Zuhause. Die Tage der Glühbirne sind gezählt. Grund genug, sie sich noch einmal genau anzuschauen. Von den Anfängen unter anderem in Thomas Edisons Labor in Menlo Park, bis zum Massenprodukt der Globalisierung. Foto: dpaBald wird sie verschwinden, erst aus dem Regal, dann aus unserem Zuhause. Die Tage der Glühbirne sind gezählt. Grund genug, sie sich noch einmal genau anzuschauen. Von den Anfängen unter anderem in Thomas Edisons Labor in Menlo Park, bis zum Massenprodukt der Globalisierung. Foto: dapdBald wird sie verschwinden, erst aus dem Regal, dann aus unserem Zuhause. Die Tage der Glühbirne sind gezählt. Grund genug, sie sich noch einmal genau anzuschauen. Von den Anfängen unter anderem in Thomas Edisons Labor in Menlo Park, bis zum Massenprodukt der Globalisierung. Foto: Monika MüllerBald wird sie verschwinden, erst aus dem Regal, dann aus unserem Zuhause. Die Tage der Glühbirne sind gezählt. Grund genug, sie sich noch einmal genau anzuschauen. Von den Anfängen unter anderem in Thomas Edisons Labor in Menlo Park, bis zum Massenprodukt der Globalisierung. Foto: imago/Hans-Günther OedBald wird sie verschwinden, erst aus dem Regal, dann aus unserem Zuhause. Die Tage der Glühbirne sind gezählt. Grund genug, sie sich noch einmal genau anzuschauen. Von den Anfängen unter anderem in Thomas Edisons Labor in Menlo Park, bis zum Massenprodukt der Globalisierung. Foto: imago stock&peopleBald wird sie verschwinden, erst aus dem Regal, dann aus unserem Zuhause. Die Tage der Glühbirne sind gezählt. Grund genug, sie sich noch einmal genau anzuschauen. Von den Anfängen unter anderem in Thomas Edisons Labor in Menlo Park, bis zum Massenprodukt der Globalisierung. Foto: imago stock&peopleBald wird sie verschwinden, erst aus dem Regal, dann aus unserem Zuhause. Die Tage der Glühbirne sind gezählt. Grund genug, sie sich noch einmal genau anzuschauen. Von den Anfängen unter anderem in Thomas Edisons Labor in Menlo Park, bis zum Massenprodukt der Globalisierung. Foto: imago stock&peopleBald wird sie verschwinden, erst aus dem Regal, dann aus unserem Zuhause. Die Tage der Glühbirne sind gezählt. Grund genug, sie sich noch einmal genau anzuschauen. Von den Anfängen unter anderem in Thomas Edisons Labor in Menlo Park, bis zum Massenprodukt der Globalisierung. Foto: dpaBald wird sie verschwinden, erst aus dem Regal, dann aus unserem Zuhause. Die Tage der Glühbirne sind gezählt. Grund genug, sie sich noch einmal genau anzuschauen. Von den Anfängen unter anderem in Thomas Edisons Labor in Menlo Park, bis zum Massenprodukt der Globalisierung. Foto: dpaBald wird sie verschwinden, erst aus dem Regal, dann aus unserem Zuhause. Die Tage der Glühbirne sind gezählt. Grund genug, sie sich noch einmal genau anzuschauen. 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Foto: imago Fotostrecken WirtschaftEuropaweiter Protest gegen das Sparen Fotostrecken WirtschaftDiese Modelle ruft Toyota zurück Fotostrecken WirtschaftHier soll der Bund sparen Fotostrecken WirtschaftAlternativmedizin: Von Fango bis Eigenurin Fotostrecken WirtschaftWaffen für die Welt: Deutsche Exportschlager Fotostrecken WirtschaftPixar, Lucasfilm, Marvel: das gehört zu DisneyBald wird sie verschwinden, erst aus dem Regal, dann aus unserem Zuhause. Die Tage der Glühbirne sind gezählt. Grund genug, sie sich noch einmal genau anzuschauen. Von den Anfängen unter anderem in Thomas Edisons Labor in Menlo Park, bis zum Massenprodukt der Globalisierung. Foto: dpaBald wird sie verschwinden, erst aus dem Regal, dann aus unserem Zuhause. Die Tage der Glühbirne sind gezählt. Grund genug, sie sich noch einmal genau anzuschauen. Von den Anfängen unter anderem in Thomas Edisons Labor in Menlo Park, bis zum Massenprodukt der Globalisierung. Foto: dpa Ein Stück Weltkulturerbe, dem es nun an den Kragen geht. Das Zeugnis des menschlichen Sieges über Nacht und Dunkelheit, wird vorgeworfen, sie sei ein Energieverschwender. 95 Prozent des Stroms, den sie verbraucht, werden zu Wärme. Nur fünf Prozent werden zu Licht. Aufwändige Herstellung Die Energiesparlampe zaubert dieselbe Helligkeit mit bis zu 80 Prozent weniger Energieeinsatz. Obwohl die Herstellung einer Kompaktleuchtstofflampe etwa zehnmal mehr Energie benötigt als die Herstellung einer herkömmlichen Glühlampe, gilt der gar nicht so junge Neuling deshalb als umweltschonend. Alles zusammengerechnet, so befand die EU-Kommission vor vier Jahren, spare die Energiesparlampe im Vergleich zur Glühbirne über ihre Lebensdauer mehr als zwei Drittel Energie. 40 Terrawatt-Stunden – der Verbrauch von elf Millionen Haushalten – soll der Tod der Glühbirne beisteuern. Der Nutzen, heißt es in der Verordnung, überwiege „etwaige zusätzliche Umweltauswirkungen“. So also lautet der Beschluss, dass die Birne gehen muss: 2006 verschwanden die mit mattem Glas aus den Regalen, dann die mit 100 Watt, gefolgt von denen mit 75 Watt und denen mit 60 Watt. Übermorgen endet die Glühbirnen-Geschichte endgültig. Alles, was mit Drähten Licht macht, darf nicht mehr angeboten werden. Der Handel darf nur noch Restbestände verkaufen, keine Glühbirnen mehr ordern. Und das ist ernst gemeint. Der Zoll ist schon seit 2009 gehalten, illegal eingeschmuggelte Glühware zu beschlagnahmen. Der Kölner Künstler Siegfried Rotthäuser, der Glühlampen als „Heatballs“ zu Heizzwecken vertreiben wollte, unterlag sogar vor Gericht. Aus die Maus. Oder doch nicht? Von Anfang an hatte die EU-Kommission versprochen, im Jahre 2014 zu prüfen, welche Wirkung das Verbot gehabt hat. Sie könnte übersichtlich ausfallen. Experten haben errechnet, dass die Deutschen Glühbirnen gehamstert haben, die für zehn Jahre reichen. Werden alle Vorräte eingeschraubt, kann es eine Wirkung im Sinne der Brüsseler Kommissare bis 2014 eigentlich nicht geben. Keine Wirkung, kein Verbot – so rechnen Glühbirnenfans, die immer noch davon träumen, wieder Licht ins Dunkel bringen zu dürfen.

Mittwoch, 14. November 2012

Police live in Leipzig: Hitparade auf dem Polizeirevier


Ich erinnere mich deutlich daran, dass Sting seinerzeit total was dagegen hatte, dass wir Bilder von seinem Auftritt in Leipzig im Internet zeigen. Wir hätten nicht gefragt, meinte sein Management. Auf Sting.com, sagte mir gerade ein Leser, steht meine komplette Besprechung des damaligen Konzerts.

Gefragt haben die natürlich nicht.

Das durchsichtige Negligè muss bei den Dreharbeiten zu ''Dune'' Mitte der 80er liegengeblieben sein. Damals war Gordon Sumner, den alle nur Sting nennen, schon unterwegs zu neuen Ufern, fort von der Drei-Mann-Insel The Police, mit der er in nur fünf Jahren eine Handvoll Hits und ein Kapitel Rockgeschichte geschrieben hatte. Das Hemdchen aber passt ein Vierteljahrhundert später noch wie angegossen. Sting, 57 Jahre alt, trägt zum Comeback der gemeinsamen Combo mit Gitarrist Andy Summers und Drummer Steward Copeland imposante Stahlmuskeln und einen malerischen Dreitagebart.

Grußlos stürzt sich das Trio vor nahezu ausverkauftem Haus in 'Message in the Bottle', vor knapp drei Jahrzehnten ein Welthit, zur Revivalshow geliftet mit neuen Schlagzeugrhythmen. Die Messehalle 1, ein Haus mit dem Charme eines Großtanklagers, tobt. Fingerkuppenklein sind die drei Männer auf der schwarz ausgeschlagenen Bühne, Stings noch immer fast makelloses Falsett aber greift mühelos bis ganz nach hinten, wo die älteren Fans der Wiederkehr der New-Wave-Helden auf Sitztribünen beiwohnen. Wer lange nichts macht, kann eben nicht viel falsch machen.

The Police veröffentlichten zwischen 1979 und 1983 fünf bahnbrechende Alben, die sie für kurze Zeit zur wichtigsten Rockband überhaupt werden ließen. Dann waren die musikalischen Mittel erschöpft, die Akteure voneinander gelangweilt. Sting wandte sich komplizierteren musikalischen Strukturen und tiefgründiger gemeinten Botschaften zu. Neue Musik aus dem Polizeirevier gab es seither nicht mehr. Das erspart den Dreien die Pflichtausflüge zu lästigem neuen Material und beschert dem Publikum einen Abend voller Hits. Das Programm gleicht geradezu verblüffend dem der letzten Tour vor dem Abschied der Polizisten. Von 'Walking On The Moon' geht es zu 'Can't Stand Losing You', von 'Every Little Thing' zu 'Don't Stand So Close To Me'. Evergreens, die jeder kennt.

Die Unterschiede liegen in den Details. Bestand Police-Musik ursprünglich aus einer quasi patentierten Kombination von geraden Reggae-Rhythmen, einer säurescharfen Gitarre und Stings Sirenengesang, gefällt es den drei Briten heute, unterzumischen, was einst verpönt gewesen wäre. Hier ein Gitarrensolo, dort eine Glockenspieleinlage. Die Zehntausend im Saal stört das nicht weiter, so lange der Refrain erkennbar bleibt. Und das ist versprochen. Schwieriger Stoff wie 'Invisible Sun' wird mit bedeutungsschwangeren Kinderbildern auf der Leinwand schnittiger geschliffen, obskure Einlagen wie das quengelnde 'Voices Inside My Head' werden nur angedeutet.

Sting ist der Mittelpunkt der Show. Was er singt, jodelt die Masse nach. Wenn Andy Summers, mit 66 der Senior der Band, Reggae-Riffs aus der schon etwas steifen Hüfte schießt, jubelt das Volk. Mit einer ausufernden Sieben-Minuten-Version der Rotlicht-Moritat 'Roxanne' kommen The Police zum Zugabenteil zurück, es folgen 'King Of Pain' und 'Every Breath You Take'. Dann geht das Licht an und der Saal singt ''ihh-ohh, ihhh-ohh, ijohooo'', bis Sting sich den Bass doch noch einmal umhängt. ''Ich bin stolz, dass wir nochmal zusammengekommen sind'', sagt Sting, ''aber ich bin auch stolz, dass wir es jetzt beenden.'' Gestern Abend spielte die Band im Londoner Hyde-Park ihr letztes Konzert daheim, noch drei Konzerte in Spanien und das war es. Für immer. ''Eine ära endet'', hatte Sting vorher angekündigt. Aber von der Bühne ruft er dann doch ''auf Wiedersehen, Leipzig!''.