Donnerstag, 6. März 2014

Gute Gene: Wir sind Pharao

 Briten, Spanier und Franzosen sind ein bisschen mehr Pharao als die Deutschen - das ist das Ergebnis von Versuchen, bei denen Wissenschaftler vom Schweizer Genealogie-Center iGenea das DNA-Profil des Pharaos rekonstruierten, dessen Mumie 1922 in einer Grabkammer im ägyptischen Tal der Könige entdeckt worden war.

Über ganz Westeuropa gerechnet gehörten durchschnittlich mehr als 50 Prozent aller Männer zur Haplogruppe R1b1a2, was bedeutet, dass sie gemeinsame Vorfahren teilt. Unter heutigen Ägyptern dagegen ist nur einer von hundert Menschen mit Tutanchamun verwandt. Das liege wohl daran, dass sowohl die Vorfahren des Pharao, der Ägypten vor rund 3 200 Jahren regierte, als auch die von Spaniern, Franzosen, Briten und Deutschen gemeinsame Wurzeln haben, glaubt iGenea-Chef Roman Scholz. Die Angehörigen der Haplogruppe R1b1a2 seien wahrscheinlich rund 7 000 Jahre vor Beginn der Zeitrechnung aus dem Kaukasus nach Europa gekommen. Unklar sei, wie Tutanchamuns Familie vom rechten Weg abkam und statt in Westeuropa in Ägypten landete.

Die Forscher wollen jetzt mit DNA-Tests nach den nächsten lebenden Verwandten des Königs suchen. Für alle anderen, die gern wissen möchten, ob sie selbst auch ein bisschen Pharao-Gen haben, bieten die DNA-Spezialisten einen Heimtest an. Für knapp 150 Euro zeigt eine Speichelprobe, ob Pharao oder nicht.

Montag, 3. März 2014

"Viele von denen haben noch nichmal jekleecht"

Waldemar Schmidt ist sauer, stinksauer. „Stehen hier wie die Orgelpfeifen und wissen gar nicht, was sie treiben“, sagt der 89-Jährige und weist mit der Hand empört hinüber zum Demoblock der Rechtsradikalen, der hinter einer Absperrung Aufstellung genommen hat, um gegen eine vermeintliche „Asylflut“ durch die Domstadt zu ziehen. Schmidt, der „wegen Hitler“, wie er sagt, viereinhalb Jahre in Sibirien in Gefangenschaft saß, würde am liebsten hinübergehen und den rund 70 Neonazis „den Arsch versohlen“, wie er sagt. „Die wedeln hier mit einer Fahne, die uns schon mal ins Verderben gestürzt hat.“

Der ganze Text: steht hier

Freitag, 28. Februar 2014

Himmler: Die Banalität des Privaten

Nicht in den Briefen findet sich diese eine einzige von SS-Chef Heinrich Himmler überlieferte Aussage, die nahelegt, dass der Hauptorganisator des Holocaust sich im Klaren darüber war, welche Aufgabe er mit dem Massenmord an den Juden übernommen hatte. Nein, in "Himmler privat", dem von Katrin Himmler und Michael Wendt zusammengestellten Band mit Briefen Himmlers und Auszügen aus dem Tagebuch seiner Frau Marga ist der Satz nicht zu finden. Der Satz, der von dem "niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte" spricht und aus jener geheimen Rede zitiert, die Himmler 1943 vor SS-Angehörigen hielt, um ihnen das "moralische Recht" zu verdeutlichen, das Deutsche angeblich hätten, das jüdische Volk auszurotten.

In seinen privaten Briefen aber schwieg Hitlers willigster Helfer über dieses Recht wie über seine ganze Arbeit. Weil er selbst Zweifel hatte? Oder weil er keine kannte? Weil er fürchtete, der mörderische Charakter des Naziregimes werde dadurch allzu deutlich? Oder weil er glaubte, seine "geliebte, kleine Frau" (Himmler) könne die ganze fürchterliche Wahrheit vielleicht nicht vertragen? Die Person, die in diesem Band aus ihren hinterlassenen Selbstzeugnissen hervorsteigt, spielt die Rolle des gutherzigen, um das Wohl anderer bedachten germanischen Ritters, so weit sie es vermag. Gerade am Anfang der Beziehung zur drei Jahre älteren Marga Siegroth, die Himmler im Alter von 27 Jahren kennenlernt, scheint das größte Bemühen des künftigen "Reichsführers SS", die Angehimmelte zu erobern.

Täglich schreibt er ihr, täglich antwortet sie, so verraten es die Briefe, die bis hierher ihre eigene Odyssee hinter sich gebracht haben. Nach dem Krieg wurden sie von US-Soldaten als Trophäe mit nach Hause genommen, ein Teil landete als Mikroverfilmung in Israel. Hier entdeckte sie die Regisseurin Vanessa Lapa, kaufte sie und verarbeitete das Material zu einer Dokumentation. Zusammen mit dem Historiker Michael Wildt besorgte Himmlers Großnichte Katrin Himmler die Übersetzung der Dokumente in Buchform, durch die Auswahl der Briefe und einordnende Begleittexte.

Das seltsame daran ist, dass Heinrich Himmler so nicht zu greifen ist. Anfangs zumindest schimmert hinter der Fassade des weltläufigen Parteiredners, als der er sich inszeniert, noch ein wirklicher Mensch hervor. Das Paar umgarnt einander, sie heißt ihn "Landsknecht" und "Dickkopp", er rühmt sie als "hohe Frau" und "liebes Frauchen". Politisch kommt von seiner Seite nichts, von ihrer ein wie selbstverständlich gereichter Judenhass, der auch vor Himmlers Parteigenossen nicht halt macht: "Gott, sieht der Dr. Goebbels jüdisch aus", schreibt sie, "schon die herübergekämmten Haare..."

Himmler liest und schweigt. Er möchte so gern intellektuell wirken und schickt seiner Liebsten Lesetipps. Er ist ein steifer Romantiker mit Hang zur Algebra, er nummeriert seine Briefe durch. Später gehen ihm unübersehbar die verliebten Floskeln aus. "Ich küsse Dich und habe dich unendlich lieb" wird Standard. Ebenso wie das Schweigen über das, was er tut. Himmler sieht sich selbst in einem Kampf, für den er das Private opfern muss. Doch es wirkt, als opfere er es gern, weil er umso mehr von seinem Opfer reden kann. Nur elf Jahre, nachdem er Marga kennengelernt hat, legt die nunmehrige Nummer drei des Hitlerstaates sich eine Nebenfrau zu: Die zwölf Jahre jüngere Hedwig Potthast soll ihm weitere Kinder schenken, weil Marga das nicht mehr vermag.

Thema in den Briefen, die immer noch hin- und hergehen zwischen den Eheleuten, ist das nicht. Hier schreibt Pappa an Püppi, wie er Tochter Gudrun nennt, oder an "Mami", wie Marga sich nun nennen lassen muss. Sie spricht nun nicht mehr vom "Geliebten", sondern nur noch vom "lieben Guten".

Es ist die Banalität des Privaten, die diese Briefe so beklemmend macht. Dass der Massenmörder Magenschmerzen hatte, dass er den treusorgenden Ehemann nur spielte und seine Tochter wohl wirklich liebte, ganz im Gegensatz zu seinem Ziehsohn, führt keinen Millimeter näher an die Motive von Hitlers Vollstrecker Heinrich Himmler. Der präsentiert sich in seinen Privatbriefen spätestens ab 1943, als bastele er schon am Bild für die Nachwelt. Den letzten Brief nach Hause setzt Himmler am 17. April 1944 auf.

Es ist der erste, den er mit "Heil Hitler!" unterschreibt.

Sonntag, 16. Februar 2014

Readfy bietet Bücher werbefinanziert

Vorerst wird es nur ein Beta-Test für rund 5 000 Benutzer sein, läuft der aber wie geplant, schickt sich das Düsseldorfer Unternehmen readfy an, die Lesewelt zu revolutionieren. Kein Wunder, denn das eBook-Abo des Startups soll kostenlos sein - Lesefreunde können zum Start der eBook-App aus 15.000 Buchtiteln wählen, ohne dafür zu zahlen.

Der Trick ist die Werbefinanzierung des Dienstes, der das Google-Prinzip der kostenlosen Angebote ins Reich der Literatur holt. Die Free Version von readfy - später soll es auch werbefreie Bezahlvarianten geben - blendet Werbebanner ein, gelegentlich, wie der Anbieter beschreibt.

Wer mitlesen will, muss sich nur unter www.readfy.com registrieren und die App heruntergeladen. Die bietet ihm dann übersichtlich nach Genres sortiert die verfügbaren Buchtitel, die mit dem integrierten eBook-Reader auf Smartphones und Tablets gelesen werden können. Zum Start ist die App für Android-Greäte verfügbar, Versionen für iOS-Systeme sollen im Sommer zur Verfügung stehen.

Die Testphase, in der die readfy-App für 5 000 Testnutzer verfügbar ist, übersetzt das erfolgreiche Prinzip des kostenlosen Streamings von Musik und Filmen auf die Buchbranche. Das sei weltweit völlig neu, heißt es bei der jungen Firma, die ihr weiteres Wachstum mit einer gerade gestarteten Crowdinvesting-Kampagne finanzieren will.

Zum Betatest: hier klicken

Donnerstag, 13. Februar 2014

Internetfernsehen: Video tötet Fernsehstar

Als Markus Lanz nach der letzten „Wetten, dass...“-Sendung von der Bühne ging, hatte er getan, was er konnte. Mit Prominenten geplaudert. Bei irren Wetten assistiert. Geschmunzelt und gestrahlt. Am Ende aber reichte es doch nur zu einer neuen Schrumpfquote: 6,6 Millionen schauten zu, halb so viele wie zu besten Zeiten.

Die Konkurrenz aber kommt nicht nur von den Nachbarsendern, sie kommt zunehmend auch aus dem Internet. Hier heißen die neuen Stars Watchever, Maxdome oder Lovefilm und sie versprechen personalisiertes Fernsehen zu jeder Zeit und fast jedem Ort. Niemand muss mehr in die Videothek, um seinen Lieblingsfilm zu sehen. Niemand muss mehr fünf ellenlange Werbeunterbrechungen ertragen, um einen frischen Kinohit im eigenen Wohnzimmer zu erleben. Und wer Miley Cyrus singen hören will, der muss nicht warten, bis Markus Lanz die Amerikanerin lässt. Sondern der klickt einfach auf Youtube und sucht sich einen Konzertauftritt heraus.
Eine neue Welt, die inzwischen nicht mehr zu übersehen ist. Anfang November war es in den USA soweit: Erstmals waren die beiden Videoriesen Netflix und Youtube dort im vergangenen Quartal für mehr als 50 Prozent des Datenverkehr aus dem Netz zu den Endnutzern verantwortlich. Noch einmal drei Prozent kamen durch die Nutzung des Amazon-Videodienstes und des Filmportals Hulu hinzu.

Europa hängt dieser Entwicklung zwar noch weit hinterher, weil das besonders erfolgreiche US-Portal Netflix hier erst in kleineren Märkten wie Dänemark, Schweden und Irland gestartet ist. Doch eine Tendenz ist bereits zu sehen: Zwei Jahre nach der Premiere verursacht Netflix bereits 20 Prozent des europäischen Datenverkehrs.
Die Zeichen stehen auf Veränderung, denn mit der nächsten Fernseher-Generation wird der Empfang über das Netz genauso einfach werden wie der Empfang über Satellit oder Kabel heute schon ist. Nachrüst-Sets wie Googles Chromecast oder die TV-Box von Apple werden dann überflüssig. Und gleichzeitig wachsen die bisher nur von wagemutigen Technikfans angeschalteten Websender auf Augenhöhe zu den Platzhirschen ARD, ZDF, Sat1 , RTL und Pro7. Ja, selbst der Abo-Sender Sky bekommt plötzlich Konkurrenz.
Aussichten, denen die traditionellen Sender derzeit mit Übernahmen begegnen. Bedienten sich deutsche Programmdirektoren zuletzt am liebsten bei Serienproduktionen des US-Kabelsenders HBO, denen das deutsche Publikum Serien wie „True Blood“ und „Game of Thrones“ verdankt, startete mit der Ausstrahlung von „House of Cards“ eben erst die erste Netflix-Produktion im deutschen Fernsehen.

Dagegen halten Lovefilm und Watchever mit Flatrate-Angeboten von unter zehn Euro pro Monat, für die es neben Kinofilmen aus der zweiten Reihe auch ältere Staffeln angesagter Serien zu sehen gibt. Beide Portale streamen auf fast alle Geräte und können zum Start 30 Tage kostenlos getestet werden. Der Anbieter Netzkino.de geht sogar noch darüberhinaus: Er ist werbefinanziert und völlig kostenfrei.

Montag, 10. Februar 2014

Neue Toplevel-Domains: Osten ohne Namen

Es wird noch einmal soetwas wie ein Neustart für das Internet, wenn in den kommenden Monaten mehrere hundert neue sogenannte Toplevel-Domains scharfgeschalten werden. Neben Internetadressen, die mit .de, .com oder auch .org enden, werden dann jede Menge neuer Begriffe möglich: .uno, .party, .play oder .dog – kaum ein gängiges Wort, dem die Internationale Organisation zur Namensvergabe im Netz (ICANN) die Zulassung zur Beteiligung an der Erweiterung des Namensraumes verweigert hat.

Auch deutsche Städte und Regionen mischen mit. So hat sich das Ruhrgebiet die Endung .ruhr gesichert und Berlin setzt künftig nicht mehr auf berlin.de, sondern hat sich für die Endung .berlin entschieden, die ab 18. März verfügbar sein soll. Internetnutzer können sich dann für eigene Domainnamen nach dem Muster name.berlin bewerben. Auch .bayern, .saarland und .nrw sind dann möglich, ebenso wie .hamburg und .koeln.

Nicht vertreten unter den neuen Namensmöglichkeiten sind die ostdeutschen Länder und Kommunen. Sachsen-Anhalt hat mit Blick auf das komplizierte und teure Bewerbungsverfahren ebenso wie Sachsen und Thüringen darauf verzichtet, eine werbewirksame eigene Namensendung für das Land zu beantragen. Auch die großen Städte wie Halle, Leipzig und Magdeburg bleiben künftig weiter beim bisherigen und bewährten .de, statt auf werbeträchtige neue Namen für die Eigenvermarktung im Internet zu setzen.

Samstag, 8. Februar 2014

DDR & BRD: Die bedröhnte Gesellschaft

Er war gesellschaftlich akzeptiert und selbst in der Mangelwirtschaft allgegenwärtig: Ob als "Blauer Würger", Grubenschnaps oder Whiskey-Imitat namens "Falkner" - Alkohol gehörte in der DDR so selbstverständlich zum Alltag, dass die untergegangene Arbeiter- und Bauernrepublik bis heute den Ruf hat, wenigstens beim Alkoholkonsum wirklich und wahrhaftig Weltspitze gewesen zu sein.

Stolze 16,1 Liter Schnaps habe ein DDR-Durchschnittsbürger im Jahr 1988 getrunken, heißt es auch in der Ausstellung "Trinkkultur in der DDR", die seit einigen Jahren mit großem Erfolg durch die Lande tourt und jetzt - ausgerechnet - im Thüringer Schnapsstädtchen Nordhausen zu sehen ist. 16,1 Liter Schnaps? Bei einem durchschnittlichen Alkoholgehalt von 30 Prozent macht das fast fünf Liter reinen Alkohol! Oder umgerechnet 23 Flaschen Nordhäuser Doppelkorn, Kristall-Wodka und Kaffee-Likör. Dazu kam dann noch der Bierverbrauch der DDR-Bürger, der trotz aller Zweifel, ob es sich bei Zeitzer Hell und Sternburg Pils wirklich um Bier handelte, mit 143 Litern nur knapp hinter den 150 Litern der westdeutschen Brüder und Schwestern lag.

Eine herausragende Leistung, an der jetzt aber trotz Traditionspflege per Wanderausstellung Zweifel aufkommen. Denn ein Vergleich der in der DDR erreichten Trinkleistungen mit aktuellen Daten kratzt am Nimbus der Alkohol-Weltmacht DDR: Letztes Jahr meldeten die Statistiker einen jährlichen Konsum von rund zehn Litern reinem Alkohol pro Bundesbürger. Zieht man den inzwischen bundesweit auf 107 Liter pro Kopf und Jahr gesunkenen Bierverbrauch ab, bleiben für den Verzehr in harten Getränken 5,35 Liter reiner Alkohol übrig. Nein, das sind nicht wie damals in der DDR 23, sondern sogar 24,5 Flaschen Schnaps!

Sonntag, 2. Februar 2014

Renft: Aufrecht im Sitzen

Zwar sitzend, aber aufrecht wie immer: Renft im Café Brohmers, diesmal wieder unplugged. Es gibt immer noch alle legendären Hits, dazu jede Menge spontaner Improvisationen von Thomas "Monster" Schoppe am Mikrophon und Giesbert Piatkowski an der Gitarre. Wer heute zu Konzerten der verbotgeadelten DDR-Rocklegende geht, hat meistens graue Haare, häufig einen Bart und alle in der DDR erschienenen Original-Platten zu Haus im Schrank. Von einigen Uralt-Fans abgesehen aber ist das Durchschnittspublikum doch überraschend jung. Diese zweite Generation der Renft-Fans kennt seine Idole nur von alten Amiga-Platten, liebt die Lieder und kommt derentwegen bereitwillig in Konzerte der Kapelle, in der mit Schoppe nominell nur noch ein Originalmitglied steht.

Aber was heißt schon original. Monster spielt seit 44 Jahren in dieser Band, Schlagzeuger Delle Kriese seit 23, Marcus Schloussen auch schon seit 15 und "Pitti" Piatkowski seit immerhin fünf. Für eine Kapelle, die es ihrer klassischen Besetzung nur kurze fünf Jahre gab, ist das eine ganze Menge, zumal Piatkowski mit den Klosterbrüdern damals genauso verboten wurde wie Monster mit Renft, sogar im selben Jahr und aus denselben Gründen.

Das Gemurre ist trotzdem immer da. Delle Kriese, der inzwischen fast fünfmal länger dabei ist als Ur-Trommler Jochen Hohl und zudem schon 1984 mit dem Ex-Renft-Gitarristen Peter "Cäsar" Gläser in dessen Band gespielt hat, ist wie Brian Johnson bei AC/DC bis heute einer der Neuen.

Aber wie bei den Australiern stört das nicht, weil die aktuelle Besetzung die alten Songs mit Seele und Groove spielt. Die leisere Form tut den Liedern gut, sie lässt "Als ich wie ein Vogel" strahlen und das bluesige "Ich und der Rock" mit dem Hintern wackeln. Zwei Platten nur hat diese Band damals gemacht, aber heute macht sie dank der Zusatztracks aus der Verbotsphase locker drei Stunden Konzert draus. Am Ende singt das komplette Publikum Klassiker wie "Gänselieschen" und "Wer die Rose ehrt" wieder begeistert mit - 40 Jahre haben Texten und Kompositionen nichts antun können.

Gelungene Premiere 2012: Renft erstmals unplugged

Freitag, 31. Januar 2014

"Böhse Menschen, Böhse Lieder"

Finstere Kerle sind das, die aus schmalen Augen schauen. Tätowiert, kahlrasiert. Mädchen in Militärhosen, Männer mit Stiernacken. Hunderte. Tausende. Zehntausende. Und alle in schwarzen T-Shirts, auf denen vor Gefahr knirschende Sprüche stehen wie "Ach, du willst Streit?" Nein, Türen zu und Fensterläden runter! Das Auto in die Garage und die Kinder von der Straße. Die Böhsen Onkelz sind in der Stadt!

So geht das, wenn Deutschlands gefürchtetste Rockband die Provinz bereist. Zweimal standen die Hessen mit dem patentiert schlechten Ruf am Wochenende auf der Bühne in der Baggerstadt Ferropolis, erschreckte die Invasion von 25 000 Fans aus ganz Deutschland das barocke Oranienbaum und das benachbarte Gräfenhainichen.

"Dabei sind die die Jungs eigentlich alle sehr nett", sagt Verena Felgner, die an einem fliegenden Stand Würstchen verkauft. Ein paar Betrunkene dazwischen, jaja. "Mehr als bei Grönemeyer." Aber das Schwarze, das Schwere, das Harte -eine Macho-Maske. Wie beim Anhang so auch bei der Band, die seit ihrem vor 20 Jahren erschienenen Album "Der nette Mann" als latent rechtsradikal und gewissermaßen gesellschaftsgefährdend gilt. Platten wurden verboten, im Radio laufen Onkelz-Lieder nie, das Fernsehen hält die Türen zu. Trotzdem hat es das Ex-Skinhead-Quartett um Bassist und Bandsprecher Stephan Weidner geschafft, einen Massenmarkt zu erobern, von dessen Existenz zuvor niemand wusste.

Kraftprotzenden Rock versehen die Onkelz mit Texten zwischen philosophierender Weltverachtung und muskulösem Eigensinn. Die Plattenbranche wird verachtet, die Presse ignoriert und die Öffentlichkeit genau so erschreckt, wie die das erwartet: "Böhse Menschen, Böhse Lieder" heißen dann CDs, "Gehasst, verdammt, vergöttert" steht auf Fan-Hemden wie ein religiöses Bekenntnis.
"Hier sind die Onkelz", röhrt Kevin Russell, nachdem die New Yorker Hardcore-Combo Biohazard kurz vor 22 Uhr Platz gemacht hat für die Helden der Heerscharen in Schwarz. "Fahr mit uns in den Himmel / wir ebnen dir den Weg / wir öffnen dir die Augen / zeigen dir wie es geht." Da fliegen die Arme schonmal vorab nach oben, da wird kollektive Inbrunst zum riesigen Chor: "Warum willst du laufen / wenn du fliegen kannst?" Den gebürtigen Iren, der statt Skinhead-Glatze längst Metaller-Mähne trägt, hört man fast nicht mehr. Aber Onkelz-Fans müssen nicht hören, sie können fühlen. Und kennen jede Zeile. Wenn die Band mit Vorurteilen spielt und sich selbstironisch das "Feindbild Nummer Eins" nennt, dann möchten sie auch Feind sein. Randgruppenstolz liegt auf glänzenden Gesichtern, wenn die Band große Vokabeln wie "Lüge" und "Ewigkeit" gegen eine nur diffus beschriebene kalte Karriere-Gesellschaft bemüht. Die draußen werden nie verstehen, gerade darum ist es ja so schön.

Nicht mehr Sekretärin, Bauarbeiter, Anwalt sein. Sondern "leben ohne Konventionen", wie Kevin Russell singt, ein Mann mit tätowierten Armen und einem Gesicht, das so wenig nach Rockstar aussieht wie die Ferropolis-Bagger nach Schichtbeginn. Alles echt! "Finde die Wahrheit", empfiehlt der Sänger, "hab keine Angst / finde die Wahrheit / so lange du noch kannst". Eingebettet ist die Suche in eine perfekte Live-Show aus Haley-Gitarren, Großleinwänden und Ohoho-Gesang, mit der die Onkelz sich in der Baggerstadt als letztes Identifikations-Angebot für einsame Individualisten inszenieren. Rechts? Links? Dort die, hier wir! Das große Gruppengefühl, es lebt unten im Gewühl, wo Männerkörper schwitzen und Mädchen für die Großbildschirme bereitwillig ihre Leibchen lüften. So warm kann's werden in karrierekalter Zeit.

Donnerstag, 30. Januar 2014

Seeger: Das Banjo im Anschlag


John Mellencamp, Willie Nelson, Dave Matthews und Neil Young schauen wie Schüler zu dem Mann am Mikrofon, der steiffingrig an seinem Banjo zupft, aber den Text von "This Land is Your Land" noch besser intus hat als die gesammelte Rockprominenz neben ihm. Pete <> ist sagenhafte 94 Jahre alt, als er im letzten Sommer bei Neil Young Festival "Farm Aid" auftritt. Es wird sein letzter großer öffentlicher Auftritt und er zeigt, welche Spuren der Mann aus New York bei nachfolgenden Musiker-Generationen hinterlassen hat.

Dabei war Seeger, Sohn eines Musikwissenschaftlers und einer Geigenlehrerin, sein langes Leben lang weder ein großer Virtuose noch ein besondern kreativer Liedschreiber. Seeger, der seine erste Band im Alter von 22 Jahren gemeinsam mit dem gleichgesinnten und später gleich legendär gewordenen Woody Guthrie gründet, sieht sich mehr als Musikorganisator, als einen Mann, der die Kunst nutzt, Menschen in Bewegung zu bringen, damit die Verhältnisse das Tanzen lernen. "Peoples Song" nennt Seeger seine Gesangsorganisation, mit der er als erklärter Linker mitten im Kalten Krieg Völkerfreundschaft befördern will.


Pete Seeger, zeitweise Mitglied der Kommunistischen Partei, landet vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe, er landete für ein Jahr hinter Gittern und für zwei Jahrzehnte auf der Schwarzen Liste der US-Radiostationen, die sich weigern, Seeger-Hits wie "Where have all the Flowers gone" ("Sag mir, wo die Blumen sind") und "If I had a Hammer" zu spielen.


Notgedrungen strickt sich Seeger eine der ersten Independent-Karrieren der Popgeschichte: Unabhängig von der Plattenindustrie und Verkaufszahlen tourt er unablässig, früh entdeckt ihn auch die DDR-Kulturbürokratie als möglichen Verbündeten im Kampf gegen den US-Kulturimperialismus. Seeger spielt hier schon in der 60er Jahren live, die staatliche Monopolfirma Amiga veröffentlicht eine Schallplatte, Seeger inspiriert damit auch die Hootenanny-Bewegung, die später wegen amerikanischer Umtriebe allerdings von Staats wegen in "Singebewegung" umbenannt wird.


Daheim hat der schmale, hinter einem schütteren Vollbart versteckte Sänger im Amerika der Vietnam-Kriegs-Gegner seine besten Jahre. Vom Außenseiter wird Seeger zum Vorbild für Bob Dylan, Bruce Springsteen und Joni Mitchell, obwohl er doch bei Dylans legendärem ersten Konzert mit E-Gitarre derjenige gewesen war, der dem vermeintlichen Verräter an den hehren Werten des Folk hatte den Strom abdrehen wollen.

Joan Baez sang damals seine Lieder, Marlene Dietrich auch. Pete Seeger lässt auch nach dem Zusammenbruch des Sozialismus nicht von seinen Idealen, störrisch, träumerisch und eisenhart zugleich. Mit 89 veröffentlicht er noch einmal ein Studioalbum, die Stimme schon wacklig, der Wille aber fest. Mit 92 ist er bei einem Geburtstagsalbum für Amnesty International dabei, er intoniert augenzwinkernd Bob Dylans Song "Forever young". Vorgestern nun ist Peter Seeger, den alle nur Pete nannten, in einem New Yorker Krankenhaus gestorben.

Montag, 20. Januar 2014

Casey Shea im Mojo




Dienstag, 14. Januar 2014

Funktioniert wirklich: 10 Terabyte Speicher kostenlos

Der Wettbewerb um die Nutzer von Cloud-Speichern wird auch nach den abschreckenden Nachrichten von NSA-Spitzeln in den Datenbanken immer härter, so dass die Anbieter gezwungen sind, ihre Gratis-Offerten fortwährend auszuweiten. Ärgerlich ist dabei für Nutzer, die nach Raum für eine komplette Spiegelung all ihrer Daten suchen, dass bisher trotzdem niemand genug Cloud anbot, um etwa eine Multimedia-Sammlung zu sichern.

Der chinesische Internetriese Tencent will das allerdings nun ändern. Wo Microsoft, Dropbox und Google bislang mit fünf und 15 Gigabyte Daten um Kunden buhlten, legt das größte chinesische Internet-Unternehmen richtig vor: Tencents Cloud-Speicherdienst, angeboten unter der Adresse weiyun.com, kleckert nicht mit Gigabytes, er klotzt gleich mit Terabyte.

Wer sich anmeldet, bekommt sofort ein Terabyte Speicher bereitgestellt - fast 70 mal mehr als Google in seinem kostenlosen Speicherdienst offeriert. Auch ist das Terabyte nicht das Ende der Fahnenstange: Nach Anmeldung gibt es noch einmal neun Terabyte dazu - wer so viel Festplattenspeicher im Laden kaufen will, zahlt nicht unter 500 Euro dafür.

Der Haken an der Sache ist natürlich der Lagerort der Daten, denn die Tencent-Server stehen in China. Doch wer sich daran nicht stört, findet hier ein unschlagbares Angebot.

Direkt zur Anmeldung geht es hier

Freitag, 10. Januar 2014

Halle grüßt Hitzlsberger

Acht an die Macht

Sie waren zu acht, sie verbarrikadierten sich für acht Tage in einer einsamen Villa im Nirgendwo. Und kamen schließlich wie geplant mit einem fertigen Kriminalroman nach Hause, erdacht von acht Köpfen, geschrieben zu 16 Händen. Entsprechend heißt das Werk auch „8“ und die Autoren Tatjana Kruse, Carsten-Sebastian Henn, Sabine Trinkaus, Kathrin Heinrichs, Sandra Lüpkes, Peter Godazgar, Jürgen Kehrer und Ralf Kramp zeigen hier auf 295 Seiten erstmals weltweit, dass auch Literatur kollektiv erstehen kann.

Was da im Krimi-Camp erdacht und aufgeschrieben wurde, hat sogar Züge von einen der neuerdigs so angesagten Thriller. Ein Serienmörder geht um, ein argloser Unbeteiligter wird zur Zielscheibe des Unbekannten und rückt zugleich als Hauptverdächtiger ins Visier der Polizei. Atemlos hetzt jener frischgefönte Radiomoderator Andreas Otto durch eine Handlung, von der sich kaum vorstellen lässt, dass ihre einzelnen Bestandteile gleichzeitig entstandensind. Der Ton der von den acht Autoren verfassten Kapitel findet eine Harmonie, trotz all der – zeitgenössisch schick auf höchstbrutal getrimmten – Morde bleibt immer Raum für ein mögliches Lächeln, einen Seitenhieb auf die Gegenwart und einen Subtext, der suggeriert, dass all dies hier nicht nur ein lesenswerter Skandinavian-Thriller ist, der ganz zufällig in Deutschland spielt. Sondern nebenher auch noch ein literarisches Experiment, das Krimifans, konsequent zuende gedacht, künftig pro Jahr um die 50 Bücher der Achterbande bescheren könnte.

Wird nicht passieren, aber zumindest geht Peter Godazgar demnächst mit dem ersten und einzigen Achterbuch auf die Lesebühne. Am 14. Januar tritt der hallesche Autor im Mojo zum Heimspiel an.


www.facebook.com/DasKrimiCamp

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Das schwierige Geschäft mit der Geschichte

Es ist immer wieder wunderbar und höchst beeindruckend, wie die Geschichte über Bande spielt, um augenzwinkernd darauf aufmerksam zu machen, dass Schwarz und Weiß keine Farben sind. Den jüngsten Beleg für den subtilen Humor, den die Zeitläufte zu entwickeln vermögen, lieferte die Tagesordnung des halleschen Stadtrates. Dort folgten zwei Anträge aufeinander, die schöner nicht hätten illustrieren können, wie schwierig das Geschäft mit der Bewältigung der Geschichte ist: In Antrag eins verlangte die grüne Fraktion die Umbenennung der Emil-Abderhalden-Straße, weil der frühere Präsident der Leopoldina zum „Establishment des Dritten Reiches“ gehört habe. Antrag zwei kam vom „Mitbürger“ Martin Bauersfeld, und er forderte die Beseitigung eines Denkmals des halleschen Bildhauers Gerhard Geyer, das vor der ehemaligen Stasi-Bezirksbehörde steht.

Er wisse nicht viel über die Plastik, so der Antragsteller, doch sie zeige seiner Ansicht "drei Rotarmisten“ und habe somit eine „kritische politische Ausrichtung“. “Was sie darstellen ist eine Aussage, die nicht für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit steht”, sagte der gescheiterte Bundestagskandidat bei der Vorstellung seines Vorhabens.

Eigentlich also zwei Anträge, die sich blind ergänzen. Bilderstürmerei als Mittel der Auseinandersetzung mit der Geschichte, der Radiergummi als Waffe im Kampf gegen unliebsame Erinnerungen. Doch ausgerechnet hier offenbart sich bei genauerer Betrachtung ein tieferer Zusammenhang, der mehr über die Verfasstheit der Gesellschaft im Jahr 2013 erzählt als auf den ersten Blick ersichtlich ist.

Denn die Abderhalden-Straße soll nach dem Willen von Oberbürgermeister Bernd Wiegand demnächst Anton Wilhelm Amo benannt werden, dem ersten aus Afrika stammenden Studenten, der je eine deutsche Uni besucht hat. In der Stadt, in der er das tat, aber auch 23 Jahre nach dem Mauerfall mit keinem Straßennamen geehrt wird. Und ausgerechnet der am 9. April 1989 verstorbene Händel-Preisträger Gerhard Geyer war es, der eine Amo-Plastik schuf, die bis heute am Universitätsring der Saalestadt steht, wenn auch völlig unbeachtet und halb überwuchert.

Geyers Plastik vor der früheren MfS-Zentrale soll geschliffen werden, Geyers Amo-Bildnis nicht. Natürlich, geht es nach den Anhängern der These, dass Geschichte immer mal wieder von authentischen Zeugnissen der Vergangenheit bereinigt werden muss, ist das Amo-Denkmal zweifellos Kunst. Die Bronze mit den drei angeblichen “Rotarmisten“, von denen einer seltsamerweise unbewaffnet, mit offener Jacke und Pullover bekleidet Dienst tut, hingegen nicht. Die Kunst des Weidanz-Schülers Geyer wäre insgesamt gesehen also nur noch dann Kunst, wenn ihre Absicht bis heute auf Zustimmung trifft. Ein Gedanke, den weiterzudenken sich lohnt.

Dem Stadtrat, der vorerst beide Anträge abgelehnt hat, ist für die Anregung dazu zu danken.

Mittwoch, 11. Dezember 2013

5 vor 12: Geplante Obsoleszenz

So sieht das aus, wenn das Bürgertum aufsteht. Die Leute sitzen um ein Feuer, das selbstverständlich in einer ordentlichen Schale prasselt. Ein Sponsor hat Glühwein spendiert, Freiwillige tragen Matratzen zusammen für die, die nicht länger wach bleiben wollen, wie das Motto der 48-Stunden-Protestaktion am neuen theater lautet. Auf der Bühne singen ein paar junge Menschen den Rauchhaus-Song von Ton Steine Scherben in staunende Gesichter: Wer sind diese Schmidt und Press und Mosch, von denen da immerfort gesungen wird? Und wo sind die Bullen, von denen die Rede ist?

Hier allerhöchstens im Publikum, zivil, aber rein privat, als Kunstfreunde, die sich wehren wollen gegen die von der Landesregierung geplanten Millionenkürzungen der Zuschüsse für die Theater. Kommen die, geht die Kultur, dieser Überzeugung sind alle, die sich im Innenhof versammelt haben. Dann wäre Halle keine Kulturhauptstadt mehr.

Ist es aber eine? Mehr als 200.000 Einwohner hat die Stadt, immer noch, vergleichbar viele Menschen wohnen im näheren Umkreis. Dennoch sind es nicht  endlose Heerscharen, die sich in den diesen letzten Kampf für ihre Kultureinrichtungen stürzen. Der OB ist da, die Ex-OB, viele Kulturarbeiter, viel von dem, was in einer Stadt wie Halle Geschmackselite darstellt. Aber das gemeine Volk? Die Leute, die zu "Wetten, dass..." tausendfach auf den Markt strömen? Die zu zehntausenden Laternenfeste feiern oder das Fußballstadion bevölkern? Liegt es an der späten Stunde, dass kaum Studenten unter den Protestierenden sind? An schlechten Bahnverbindungen, dass kaum jemand aus Halle-Neustadt angereist ist?

Nein, die von der Landesregierung geplante Obdoleszenz der städtischen Kultur trifft offenkundig auf ein bereitwilliges Desinteresse an derselben bei der Mehrheit der Bürger, für die sie angefertigt wird. 5 vor 12? In Halle gehen die Uhren anders.

Samstag, 7. Dezember 2013

Erstaunliches von Abderhalden

Es ist schon seltsam mit diesem Emil Abderhalden. Je länger man sich mit dem Mann beschäftigt, desto erstaunter ist man von der Vehemenz, mit der er durch den Saal getragen wird, um mit nachholendem Mut zu beweisen, wie gut man die Lektionen der eigenen Geschichte gelernt hat.

Dabei stellt sich die Faktenlage beim Betrachten der Biografie des angeblichen Angehörigen des Nazi-Establishments als sehr viel heterogener dar als dass die Anhänger einer Vergangenheitsbewältigung per Ausblendung gespaltener Lebensläufe gern hätten. Im Fall von Heinz Kürten etwa, einem Edel-Nazi, der bereits 1931 der NSDAP beitrat und später als Gaufachberater für Rassenhygiene in der Gauleitung Halle-Merseburg tätig war, stand der heute als Rassist kritisierte Abderhalden auf der Seite der wissenschaftlichen Redlichkeit, von der heute so viel die Rede ist.

 Kürten, der nicht nur wie Abderhalden dem kurzlebigen und einflußlosen NS-Lehrerbund beitrat, sondern ein Jahr später in den nun für Hochschullehrer zuständigen NS-Dozentenbund wechselte, war der Vertrauensmann der NSDAP an der Medizinischen Fakultät Halle und er wurde "in Anerkennung seiner Verdienste" 1934 zum außerordentlichen Professor an die Universität München berufen, wo er Lehrgänge für Rassenhygiene leitete.

Im Dezember 1934 wurde Kürten zum Ordinarius für Innere Medizin, Erblehre und Rassenhygiene an der Universität München ernannt. Von 1935 bis 1937 war er dann dort Dekan der Medizinischen Fakultät mit Forschungsschwerpunkt menschliche Erblichkeitslehre und Rassenpflege.

Was das mit Emil Abderhalden zu tun hat? Nun, der verhinderte 1936 eine Berufung Kürtens auf den Lehrstuhl für Innere Medizin an der Universität Halle, in dem er ankündigt, in diesem Fall seine eigene wissenschaftliche Arbeit einzustellen.

Donnerstag, 5. Dezember 2013

Blick zurück nach vorn

2013, das waren die zwölf Monate, die auf den so lange erwarteten Weltuntergang folgten. Was das dann aber wieder für ein Jahr gewesen sein wird!

Die Jahre, die mit den beiden Zahlen enden, die jeder Hotelchef bei den Zimmernummern überspringt, haben es in sich. 1713 etwa besetzten russische Truppen die Insel Rügen! 1813 mussten Blüchers Preußen Halle von der französischen Besatzung freikämpfen. Und 1913 gründete der Bäcker Karl Albrecht in Essen einen Tante-Emma-Laden mit dem Namen Aldi.

Immer was los, immer liegt Spannung in der Luft. Doch so weitsichtig wie Hotelchefs waren sie eben nicht, die Erfinder der Zeitrechnung. Und so steht er am ersten Januar da, der bislang jüngste 1.1.13. Das Jahr beginnt mit Inkrafttreten des Euro-Rettungsschirmes und der Übernahme der EU-Präsidentschaft durch Irland. Die meisten Menschen bemerken beides nicht. Die USA feiern den Sprung von der Fiskal-Klippe. In Deutschland wird die GEZ-Pflicht von Leuten, die keine Rundfunkgeräte besitzen, auf die ausgeweitet, die keine Geräte besitzen, zudem aber noch blind und taub sind.

Alle müssen mitmachen, denn schon am 20. Januar steht der erste Urnengang des Superwahljahres an. In Niedersachsen entscheidet sich nicht nur das Schicksal von CDU und FDP, sondern auch das von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Eng ist es bis zuletzt in Hannover, aber das Wahlergebnis ist dann eindeutig: Alle Parteien bedanken sich bei ihren Wählern und lassen keinen Zweifel daran, dass sie das Votum der Niedersachsen als Auftrag begreifen. In Berlin kommt es dennoch zum Streit um die Themen, um die bis zur Bundestagswahl gestritten werden soll.

FEBRUAR

Bei der Oscar-Verleihung triumphiert der Film zum Musical "Les Misérables", der Preis der Tourismusindustrie geht an den Knüller "Der kleine Hobbit". Der deutsche Beitrag "Barbara", in Sachsen-Anhalt gedreht, geht leer aus. Neue Daten aus der Wirtschaft machen im Februar Mut, dass das Schlimmste überstanden ist: Die San Francisco 49ers gewinnen den Football-Super Bowl. Einer alten Regel nach ist das ein gutes Omen.

MÄRZ

Im März übernimmt Xi Jinping das Amt des chinesischen Staatspräsidenten. Xi kündigt in seiner Geheimrede an, Europa mit Chinas Dollarreserven retten zu wollen. Dazu werde ein Staatsfonds gehebelte binäre Optionen erwerben, die die EZB zurückleast. Im EZB-Rat geht der Plan glatt durch. Griechenland ist über Nacht schuldenfrei, Spanien wehrt sich noch, Hilfen zu beantragen. Bayern München jubelt nach einem 2:0 gegen denHSV vorzeitig über die 22. Meisterschaft. Nachrichtenagenturen schreiben von der "Gähnliga", der Papst twittert: "Wahre Freude kommt aus der Vereinigung mit Gott." Man werde sich nun auf das Champions-League-Finale vorbereiten, sagt ein auch im Triumph bescheidener Manager Matthias Sammer.

APRIL

Es geht aufwärts, nicht nur in Bayern. Zu Ostern sind die Benzinpreise wie immer auf ein Rekordhoch gestiegen, es wird erste Kritik an der neuen Markttransparenzstelle laut. Angeblich lohne es sich bei Preisen um 1,75 Euro gar nicht, 50 Kilometer zu fahren, um dort für drei Cent weniger zu tanken. Nicht mehr als ein gut gemeinter Versuch bleibt auch eine Mondfinsternis am 25. April: Wohl aus Kostengründen treten nicht einmal zwei Prozent der Mondscheibe in den Kernschatten der Erde. Umso mehr Begeisterung herrscht auf der Hamburger Reeperbahn, wo der evangelische Kirchentag feiert. Udo Lindenberg bringt seinen Klassiker "Reeperbahn" zum Event noch einmal heraus. Statt "Du geile Meile, auf die ich kann" heißt es jetzt "Du heil´je Meile, ich bet´ Dich an". In der Champions League unterliegt München wie üblich gegen Mailand. Nach dem Spiel poltert Bayern-Präsident Uli Hoeneß, Kapitän Lahm und Mannschaftskopf Schweinsteiger hätten "wie beim Löw" gespielt. Für den glücklosen Jupp Heynckes wird Matthias Sammer Trainer.

JUNI

Anfang Juni meldet sich das Enthüllungsportal Wikileaks zurück. Diesmal veröffentlicht die Plattform verschlüsselte Dokumente der Piratenpartei. Ein Parteisprecher nimmt bei "Anne Will" barfuß Stellung, wird aber von FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki übertönt. "Ich würde in Berlin zum Trinker werden", sagt der mit Blick auf die Bundestagswahl. "Trinkerhauptstadt Berlin" titelt ein Nachrichtenmagazin daraufhin. Weil keine Fußball-WM ansteht, ist das Sommerloch dieses Jahr früh dran.

JULI

Zum 1. Juli hat Europa Grund zum feiern: Kroatien tritt der Union als 28. Nation bei. Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite, die von Irland den EU-Vorsitz übernommen hat, begrüßt die Kroaten während einer Zeremonie in Brüssel. Später wird bekannt, dass Kommissionspräsident Barroso, Ratspräsident van Rompuy und Parlamentschef Schulz zuvor wie die Kesselflicker darum gestritten hatten, wer den Festakt leiten darf. Grybauskaite war nur eingesprungen, weil der Aufnahmezeitplan zu platzen drohte. Bei der Fußball-EM der Frauen in Schweden holen die deutschen Damen nach dem üblichen 2:0 gegen Norwegen den sechsten Titel in Folge. Eine Radioreporterin spricht von einem "Gähn-Championat". Im Zuge der Umsetzung der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie übernimmt Bundestrainerin Silvia Neid danach den neuen Drittligisten RB Leipzig, den sie in die Champions League führen soll.

SEPTEMBER

Wenig später kommt es wie erwartet zur Bundestagswahl. SPD-Herausforderer Peer Steinbrück kämpft bis zuletzt, unter anderem im Netz, wo sieben Mitarbeiter für ihn twittern. Amtsinhaberin Angela Merkel konzentriert sich stärker auf klassische Marktplatzreden. Das Rennen ist lange offen, das Wahlergebnis aber eindeutig: Die Spitzenkandidaten aller Parteien bedanken sich noch am Wahlabend bei den Wählern und lassen keinen Zweifel daran, dass sie das Votum als Auftrag begreifen. In den Wochen danach mehren sich die Gerüchte über Inhalte der Koalitionsgespräche, überschattet allerdings von Gerüchten über das neue iPhone 6. Das Handy soll angeblich über eine spezielle App Holzschnitzereien in 3D zulassen.

NOVEMBER

Anfang November erhellt der Komet Ison den Nachthimmel. In seinem fahlen Schein hoffen viele enttäuschte Untergangsanhänger von 2012, dass ihre Vorsorgeinvestitionen sich nun doch noch auszahlen. US-Forscher widersprechen, der Komet kündige lediglich die Wiederkunft von Jesus Christus an. Der Papst twittert nachdenklich: "Jedermanns Leben hat Zeiten des Lichtes und der Dunkelheit."

In Berlin steht nun die Koalition, die sofort gebraucht wird: Die Haushaltslöcher in Griechenland sind wie erwartet größer als erwartet. Am ersten Advent beschließt der Bundestag ein erstes Rettungspaket für den Rettungsschirm. Sebastian Vettel ist da schon nicht mehr nur alter, sondern auch wieder neuer Formel-1-Weltmeister. Eine Zeitschrift in Italien schreibt von der "Gähn-Formel", ein deutsches Magazin fragt "Warum ist Sport nicht mehr spannend?"

DEZEMBER

Mitte Dezember stehen die Fussballer des FC Bayern trotzdem wie üblich mit zwölf Punkten Vorsprung auf Platz 1 der Tabelle. Verfolger Dortmund erwägt, sich der niederländischen Eredivisie anzuschließen. "Die Entfernungen sind kürzer", sagt Trainer Jürgen Klopp. Die Gesellschaft für deutsche Sprache muss nach diesen bewegten Monaten nicht lange nach dem "Wort des Jahres" suchen. "Gähn", verkündet die Jury, sei diesmal nicht nur das "Wort des Jahres". Sondern gleich auch noch das "Unwort".

Donnerstag, 14. November 2013

Der Lindividualist in Leipzig



Eine qualmende Zigarre in der Hand, den Hut tief ins Gesicht gezogen, fit und in aufgeräumter Stimmung, so hat Deutschrock-Idol Udo Lindenberg in Leipzig Werbung für seine im kommenden Jahr anstehenden Open-Air-Konzerte in der Red-Bull-Arena gemacht. Werbung, die der 67-Jährige eigentlich gar nicht nötig hätte: Der erste der beiden Auftritte, die Lindenberg zum ersten Mal in seiner mehr als 40-jährigen Karriere überhaupt in große Stadien führen, war bereits drei Stunden nach Vorverkaufsstart ausverkauft. Insgesamt wird Lindenberg vor rund 100.000 Fans spielen. "Ein großes Treffen der Lindianer", sagte der Star, der 2008 mit seinem Album "Stark wie zwei" ein überaus erfolgreiches Comeback gefeiert hatte...

Der ganze Text hier

Mittwoch, 13. November 2013

Hit aus der Hütte

Das Lied ist der Hit in Nepal, ein übler Ohrwurm, der keine Gnade mit seinen Zuhörern kennt. Im Song, der ein nepalesischer Folksong ist, geht es offenbar um Schmetterlinge, allerdings weiß niemand so genau, inwiefern. Immerhin hat "Resham Firiri" trotzdem eine eigene Tumblr-Seite.

Der Text ist überschaubar komplex:
Resham Firiri Resham Firiri
Udayra Jauki Dadama Vanjyang
Resham Firiri
Resham Firiri Resham Firiri
Udayra Jauki Dadama Vanjyang
Resham Firiri
Resham Firiri Resham Firiri
Udayra Jauki Dadama Vanjyang
Resham Firiri
Udayra Jauki Dadama Vanjyang Resham Firiri

Ak nalay Banduk Doenalay Banduk Mirgalai Takayko
Ak nalay Banduk Doenalay Banduk Mirgalai Takayko
Mirgalai Mailay Takayko Hoina Mayalai Takayko
Mirgalai Mailay Takayko Hoina Mayalai Takayko

Freitag, 1. November 2013

Great Elk: Große kleine Band


Paul Basile leidet wie ein Hund, wenn er von "Beverly" singt. Aber es klingt gut! Zum dritten Mal war der Mann aus New York jetzt in der Mojo-Bluesbar, nach zwei Soloauftritten hatte er diesmal seine Band Great Elk mit. Aus den verhuschten Balladen wurde so zum Teil deftiger Rock - und aus dem Songwriter ein Frontmann, der manchmal sogar die Kurzhaarfrisur schüttelte. Als Zugabe lieferte Basile allerdings einen seiner Klassiker, vorgetragen allein zur Gitarre: "Grab your Guns" hatte er vor Jahren geschrieben, um seiner Wut auf George W. Bush Ausdruck zu verleihen. Nach dem Konzert aber nickt er ernsthaft. Ja, irgendwie passt der Ruf zu den Waffen auch heute noch.